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Rebellen: Roman (German Edition)

Rebellen: Roman (German Edition)

Titel: Rebellen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Schorlau
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waren alt, Paul schätzte, dass einige von ihnen bereits Mitte zwanzig sein mussten. Der Student mit den roten Haaren saß mitten unter ihnen und kaute an einem Bleistift. Alle nannten ihn Mike. Zwischen ihnen saßen Frauen, aufregende Frauen, alle wunderschön, eine mit langen, glatten schwarzen Haaren, eine andere blond mit einer aufregenden länglichen Nase und hellen blauen Augen.
    Und alle starrten ihn an.
    »Der hat mich gefragt, ob ich aus dem Osten bezahlt werde«, sagte der rothaarige Student.
    Alle lachten. Paul wurde es noch ungemütlicher. Alexander stand hinter ihm und schwieg.

    »Du bist also Paul, der Lehrling von Heppeler.« Ein bärtiger Student in rotem Anorak sah ihn freundlich an. »Weißt du, wir wollen jetzt jeden Dienstag eine Schulungsgruppe für Lehrlinge durchführen. Da lesen wir zusammen Karl Marx.«
    »Dienstags hab ich Handballtraining«, flüsterte Alexander.
    »Wann kannst du denn?«, flüsterte Paul ihm zu.
    »Bei mir geht es nur mittwochs.«
    »Ich hab nur am Mittwoch Zeit«, sagte Paul laut.
    Unruhe unter den Studenten. Sie redeten nun alle durcheinander.
    »Mittwochs tagt die Betriebsprojektgruppe.«
    »Den Termin haben wir mit Mühe und Not hingekriegt.«
    »Mittwochs geht bei mir gar nicht.«
    Paul atmete erleichtert aus.
    Alexander flüsterte: »Dann lass ich Handball eben sausen.«
    Der Bärtige im roten Anorak sagte: »Genossen, wenn der Lehrling hier Marx lesen will, sollten wir ihm die Gelegenheit dazu geben.«
    Stimmengemurmel.
    Und dann verschoben all diese wichtigen bärtigen Männer und all die schönen Frauen ihre Termine wegen Paul. Wegen eines Feinmechanikerlehrlings!
    Vielleicht wurde das hier doch noch Rock ’n’ Roll.

42. Alexander heute
    Alexander Helmholtz sah auf die Uhr. Noch eine Stunde. Dann würde er Pauls Sohn treffen.
    Er fuhr den Porsche jetzt untertourig. Er mochte das Kraftvolle, das gezähmt Röhrende, das gefährlich Lauernde an diesem Motor. Das vibrierende Chassis übertrug die Kraft der Maschine auf seinen Körper. Es verlieh ihm elementare Kraft und Macht. Das war natürlich Quatsch, eine Illusion, aber eine Illusion, die ihm gefiel. In einem Porsche sitzen nur alte Männer mit unterentwickelten Penissen, hatte Toni gesagt. Sie hatte ihn dann grinsend angeschaut. Immerhin, jung bist du nicht mehr, das musst du zugeben. Mein Gott, er liebte sie. Für einen Augenblick überraschte er sich selbst mit der Idee, Toni zu dem Treffen mit Pauls Sohn mitzunehmen. Aber dann würde alles … nein, keine gute Idee.
    Er steuerte den Wagen aus Günterstal heraus, an dem ehemaligen Institut für Soziologie vorbei, dem Martinstor entgegen weiter in die Stadt. Am Holzmarkt hatte er das seltene Glück, dass direkt vor ihm ein Wagen aus einer Parklücke fuhr. Er stellte den Porsche auf den frei gewordenen Platz und stieg aus.
    Er ließ sich von der Menge treiben, den Touristen und Einheimischen, den Zielbewussten und Flaneuren, den Nachdenklichen und Leichtsinnigen, den Alten und Jungen, den Studenten und Schaffern, den Handwerkern und Uniangestellten, den Verkäuferinnen und Professorengattinnen, und landete schließlich am Bertoldsbrunnen. Straßenmusikanten aus Südamerika bliesen auf einer Panflöte das unvermeidliche El condor pasa, ein Jongleur warf seine Keulen haushoch in die Luft, und einmal glaubte er Toni auf der anderen Straßenseite zu sehen. Er wollte schon zu ihr hinüberlaufen, da merkte er, dass es eine andere, viel jüngere Frau war.
    In der Alten Uni residierten nun die betriebswirtschaftlichen Institute, neben den Forstwissenschaftlern, die schon immer hier gewesen waren. Damals gab es hier den kleineren Schulungsraum, und Alexander erinnerte sich noch genau, wie er mit Paul an jenem ersten Mittwochabend als einziger Schüler zwischen fünf Lehrlingen an dem großen Tisch gesessen hatte. Hubert machte eine Lehre als Elektromechaniker bei Hellige, Manni lernte Schriftsetzer bei der Badischen Zeitung, Otmar Feinmechaniker bei Hüttinger; ein Lehrling brauste mit einer alten Horex an und nannte sich Ryder. Alle blickten neugierig und unsicher, alle hatte Alexander während der Fahrpreisdemonstrationen gesehen.
    Der Student, der immer noch den roten Anorak trug, hieß Mischa. Er studiere Soziologie, sagte er, als er sich vorstellte. Er wolle das »Kommunistische Manifest« mit ihnen lesen, erst dann würde man zu den ökonomischen Schriften von Karl Marx übergehen. Er wuchtete einen Stapel roter Broschüren auf den Tisch.
    »Weitergeben«, sagte

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