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Rebellen: Roman (German Edition)

Rebellen: Roman (German Edition)

Titel: Rebellen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Schorlau
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würde.
    Nicht mit einem Kind!

78. Toni
    Schließlich nahm ich ein Blatt Papier und schrieb auf:
    Alexander ist wie Stein, Paul ist wie Erde.
    Alexander trägt mich auf Händen, Paul lässt mich fallen.
    Alexander liebt mich, Paul vögelt mich.
    Alexander kümmert sich um meinen Orgasmus, Paul ist das scheißegal.
    Alexander ist aufmerksam, Paul ist gedankenlos.
    Alexander ist innere Unsicherheit, äußere Sicherheit.
    Paul ist innere Sicherheit, äußere Unsicherheit.
    Alexander will mich heiraten, Paul verabscheut die Ehe.
    Alexander wird das Kind lieben, Paul auch.
    Ich las diese Liste wieder und wieder, dann weinte ich einen Nachmittag lang, und als die Tränen getrocknet waren, beschloss ich, Alexanders glückliche Braut zu werden.

79. Toni
    Die Schwachen kämpfen nicht.
Die Stärkeren kämpfen vielleicht eine Stunde lang.
Die noch stärker sind, kämpfen viele Jahre.
Aber die Stärksten kämpfen ihr Leben lang.
    So schrieb es Bertolt Brecht. Es klingt, als habe er Paul gekannt. Paul gehörte zu den Stärksten. Glücklich, wer einen solchen Menschen kennt. Glücklich, wer einen solchen Menschen lieben darf. Am glücklichsten, wer von ihm geliebt wird.
    Ich habe ihm das Herz gebrochen.
    »Ich bekomme ein Kind von Alexander«, sagte ich ihm. »Unsere Zeit ist vorbei.«
    »Unsere Zeit ist vorbei?«, wiederholte er.
    Noch nie hatten wir uns so steif gegenübergesessen wie an jenem Tag im Café Ruef. Auf neutralem Boden.
    Zum Abschied gaben wir uns die Hand.
    Das muss man sich vorstellen. Wir gaben uns die Hand wie Fremde.
    Mein Gott, habe ich geweint.
    Danach.

80. Alexander
    »Das könnte funktionieren«, sagte Backhaus. »Faszinierend. Das ist eine völlig andere Sicht, aber es könnte funktionieren.«
    »Was müssen Sie wissen?«
    »Ich brauche die Details.«

    »Paul, ich mache dir einen Vorschlag. Wir möchten deine Idee ausprobieren. Wenn es funktioniert, werden wir Partner.«
    »Wir sind Freunde. Wozu sollen wir da noch Partner sein?«
    »Du beteiligst dich mit deiner Erfindung an meiner Firma.«
    »Alexander, das Sein bestimmt das Bewusstsein. Und ich will bestimmt kein Kapitalist werden.«
    »Die Erfindung könnte dir Geld einbringen. Vielleicht nicht einmal wenig.«
    »Ich mach das nur aus Spaß. Es ist mein Hobby.«
    »Ich fände es schön, wenn du einsteigen würdest. Nicht gerade die Weltrevolution, aber auch ein aufregendes Projekt.«
    »Heiratest du?«
    »Ja. Toni ist schwanger.«
    »Ich weiß.«
    »Du weißt es schon?«

    »Toni hat mit mir gesprochen.«
    »Ich wollte dich nach unserem Gespräch zu einem kleinen Besäufnis einladen.«
    »Mmh.«
    »Wir würden deine Erfindung gern ausprobieren.«
    »Brauchst du nicht. Sie funktioniert.«
    »Paul, komm, werde mein Partner!«
    »Ganz sicher nicht. Aber ich überschreib meine Erfindung dem Nicaragua-Komitee. Die brauchen Geld.«
    »Paul, das geht nicht. Ich verkaufe keine einzige Maschine, wenn das Geld nach Nicaragua geht. Werde Partner, dann kannst du mit dem Geld machen, was du willst.«
    »Ich tu’s nicht, Alexander.«
    Sie redeten noch eine Weile ohne Ergebnis. Dann gingen sie in Webers Weinstube und betranken sich.
    Es war das letzte Mal, dass Alexander Paul sah.

81. Alexander
    Alexander wusste es. Paul war ein Dickkopf. Er kannte ihn.
    Die Sparkasse machte Druck. Hubert Delius rief täglich an und wollte wissen, ob sie das lästige technische Problem endlich gelöst hätten. Er müsse ständig dem Vorstand berichten. Er brauche, verdammt noch mal, gute Nachrichten, sonst würde die Sparkasse die nächste Tranche nicht auszahlen.
    »Wir kriegen’s nicht hin«, sagte Backhaus.
    Alexander telefonierte mit Paul.
    Zwecklos.
    Dann kam das ernste Gespräch mit dem Sparkassenchef.
    Da war die unerträgliche Hetze von Maximilian.
    Die Besorgnis und die Rückfragen seiner Mutter.
    Alexander dachte, er habe ein Geschwür in der Magengrube.
    Aber es war nur Angst. Und sie wuchs jeden Tag.
    Es stand alles auf dem Spiel.
    Alles.

82. Toni
    Manchmal werde ich gefragt, ob man es Kindern ansehen könne, welches von ihnen von Magersucht bedroht sei, welches anfällig sei für diese Krankheit.
    Man sieht es den Kindern nicht an, denn alle können erkranken. Doch besonders gefährdet sind jene Kinder, die unsere Leistungsnormen früh verinnerlicht haben.
    Die Angepassten sind gefährdet. Die leistungsorientierten Mädchen, die immer freundlich, die immer gut drauf sind. Es sind die Mädchen, die die Dinge unter Kontrolle haben müssen.
    Sie greifen sich dann das

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