Rebellin der Liebe
Stock der Burg und blinzelte ungläubig in den schneebedeckten Garten. Seit nunmehr fünf Minuten jagte Desmond Beatrix um eine steinerne Bank, und seine atemlose Forderung, dass sie sich ihm ergab, wurde von ihrem schrillen Kreischen übertönt. Das überraschte Willow nicht, denn die beiden brachten fast jede Minute des Tages mit Streitereien zu.
Was sie überraschte, war, dass Desmond plötzlich einen Satz über die Bank machte und Bea in die Arme nahm, ohne dass sie ihm, wie erwartet, eine Kopfnuss, gab. Stattdessen legte sie den Kopf auf die Seite und sah ihn mit einem für sie vollkommen untypischen, geradezu schüchternen Lächeln an.
Willow klappte vor Überraschung die Kinnlade herunter, als Desmond Beatrix’ Kinn umfasste und sie, wenn auch unbeholfen, zwang, ihn anzusehen, ehe sich ihr warmer Atem mischte und sich ihre Lipppen in einem derart unschuldigen, sanften Kuss begegneten, dass ihr die Tränen vor Rührung in die Augen stiegen und sie eilig verschämt die Läden ihres Fensters schloss.
Sie war doch sicher nicht so missgünstig, neidisch auf das Glück ihrer Stiefschwester zu sein? Wie könnte sie Beatrix die Anbetung durch einen liebeskranken Jungen missgönnen, während sie doch selbst so glücklich war?
Sie hatte ein Heim. Eine Familie. Sie brauchte sich nicht länger von morgens bis abends abzurackern in der vergeblichen Hoffnung, einer Herrin zu gefallen, die sowieso niemals zufrieden war.
Und sie hatte Bannor, einen wunderbaren Mann.
Als sich Willow gegen den Fensterrahmen lehnte, wurde ihr Mund von einem zärtlichen Lächeln umspielt. Ihr Gatte war in der Tat ein wahrer Ehrenmann. Er hatte ihr ein Festmahl versprochen, und allnächtlich machte er dieses Versprechen wahr. Immer wieder suchte er nach neuen Wegen, sie glücklich zu machen, ohne dass sie schwanger wurde, und jeder Versuch war köstlicher als der Vorhergegangene.
Erst letzte Nacht hatte er sie zu einem Schachspiel herausgefordert, in dem sie nicht nur ihre gefangenen Figuren, sondern mit jeder der Figuren auch ein Kleidungsstück hatten abgeben müssen. Und wider Erwarten hatte sie gesiegt, denn der Anblick ihrer von dem flackernden Schein des prasselnden Feuers beleuchteten nackten Brüste hatte Bannor um den Verstand gebracht. Als er schließlich knurrend das Schachbrett vom Tisch gefegt und sie gepackt hatte, hatte sie der Versuchung nicht widerstehen können, »schachmatt« zu murmeln, ehe sie von ihm auf den Wolfspelz vor dem Kamin gezogen worden war.
Erst als sie in dem schützend warmen Kokon seiner Arme gelegen und auf sein eigenartig beruhigendes Schnarchen gelauscht hatte, hatte sie eine schwache Melancholie erfasst. Bannor mochte der Prinz aus ihren Träumen sein, aber niemals würde er die drei magischen Worte über die Lippen bringen, durch die sie seine Prinzessin würde.
Willow war nicht so naiv zu glauben, dass die meisten Ehen auf Liebe gründeten. Ganz im Gegenteil wurden fast sämtliche Ehen bereits arrangiert, wenn die beiden Beteiligten noch zu jung waren, um die Bedeutung des Wortes zu verstehen. Ihr eigener Papa hatte Blanche ganz sicher nicht aus Liebe, sondern wegen, der großzügigen Mitgift des Königs geheiratet.
Willow konnte sich noch genau an den Blick ihres Vaters erinnern, als er ihr erklärt hatte, nie wieder würde er eine Frau lieben wie ihre Mutter.
Sie schüttelte den Kopf und wandte sich vom Fenster ab. Egal, wie freundlich Bannor ihr gegenüber sein mochte, bliebe sie, irgendwo tief in ihrem Inneren, sicher für alle Zeit das linkische kleine Mädchen, das nach der Hand seines Papas gegriffen hatte, nur damit er sie ihr entzog.
27
Sir Rufus’ Hände zitterten, als er die silberne Flasche entkorkte und an seine Lippen hob. Genau in diesem Moment machte die Kutsche einen Ruck, sodass ihm der Wein am Kinn herunterrann. Mit dem Gefühl, ein wahrhaft alter Mann zu sein, wischte er das Rinnsal fort, hob die Flasche abermals an seinen Mund und trank einen möglichst großen Schluck.
Das süß-würzige Gebräu rann tröstlich durch seine Kehle, aber noch nicht einmal seine angenehme Wärme konnte die Schrille des Gelächters seiner Frau oder das selbstgefällige Grinsen seines Stiefsohns verwischen, das ihm derartige Kopfschmerzen bereitete. Blanche und Stefan hatten fast die ganze Reise über getuschelt und gelacht, hatten sich eher wie zwei Liebende benommen denn wie Mutter und Sohn.
Es ließ sich nicht leugnen, dass sein strammer blonder Stiefsohn noch selbstzufriedener aussah
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