Rebellin der Liebe
verstehe nicht, warum Ihr den Jungen derart verwildern lasst, statt ihn mit Euch und den Männern zusammen auf den Turnierplatz trainieren zu lassen.« Willows Stimme wurde schrill. »Und ich verstehe nicht, weshalb Lord Bannor, der Verwegene, Stolz der Engländer und Schrecken der Franzosen, Angst vor einem dreizehnjährigen Jungen hat.«
Mit blitzenden Augen fuhr Bannor zu ihr herum und brüllte: »Ich habe keine Angst vor ihm! Ich habe Angst vor mir!«
Willow blieb schwankend vor ihm stehen.
Bannor fuhr sich mit den Händen durch das Haar. »Wenn andere Männer die Beherrschung verlieren, brüllen sie herum, werfen Gegenstände an die Wand und stampfen mit den Füßen auf. Wenn ich jedoch die Beherrschung verliere, rollen Köpfe und wird jede Menge Blut vergossen. Dann sterben die, die mich gereizt haben.« Er ging zu ihr zurück und hielt ihr seine Hände hin. »Seht Euch diese Pranken an, Willow. Seht Euch an, wie groß sie sind.« Er ballte sie zu Fäusten. »Spürt, wie stark sie sind. Angenommen, ich erhöbe eine dieser Hände im Zorn gegen meinen Sohn? Oder gegen Mary Margaret? Himmel, mit weniger als einem unbeholfenen Fingerdruck hätte ich ihnen die Knochen gebrochen oder die Schädel eingedrückt.«
Willow verstand nicht, wie Bannor derart gefährlich und gleichzeitig derart hilflos aussehen konnte, aber sie wusste, hätte sie ihn nicht bereits vor diesem Moment geliebt, dann täte sie es jetzt.
Sie überwand den Abstand zwischen ihnen und nahm behutsam eine seiner geballten Fäuste in die Hand. »Ich weiß nur, dass diese Hände nicht nur kräftig, sondern zugleich über alle Maßen zärtlich sein können. Dass sie nicht nur Schmerz, sondern auch Freude zu bereiten in der Lage sind.«
Immer noch sah er sie verkniffen an. »Sie haben bereits mehr Menschen getötet, als Ihr Euch vorstellen könnt.«
Sie strich mit ihrem Daumen über die vernarbten Knöchel seiner Faust. »Dann habt Ihr also Eure Kinder während all der langen Monate nicht für ihre Missetaten bestraft, weil Ihr Angst hattet, Ihr könntet die Beherrschung verlieren?«, fragte sie verständnisvoll. »Dann habt Ihr also Angst, Ihr könntet in einen Blutrausch verfallen, wie er Euch im Krieg bisher so nützlich war, und einen ihrer dickschädeligen Köpfe abreißen?«
Er sah sie müde an. »Vielleicht. Woher soll ich wissen, dass so etwas nicht passiert?«
»Jetzt seid Ihr wütend auf mich, stimmt’s?«
»Wütender als je zuvor«, gestand er widerwillig ein.
Nach wie vor streichelte sie seine Faust, bis sie allmählich ihre Anspannung verlor. Da neigte sie den Kopf, bedeckte seine schwielige Handfläche mit einem sanften Kuss und sah ihn unter ihren dichten Wimpern hervor an. »Und bin ich deshalb in Gefahr?«
»Mehr als Ihr Euch vorstellen könnt.« Er hob seine andere Hand und schnippte ihr eine Schneeflocke vom Kopf.
»Trotzdem habe ich nicht die geringste Angst«, log sie in der Hoffnung, dass ihr zärtliches Lächeln das Ausmaß ihrer Furcht vor ihm verbarg. »Bannor von Elsinore, Ihr seid ein gütiger und ehrenwerter Mann. Ein Mann, der niemals einem Menschen, der schwächer oder hilfloser ist als er, auch nur ein Haar krümmen würde.«
»Aber Ihr seid alles andere als hilflos.« Er fuhr mit seinem Daumen über ihre volle Unterlippe, wodurch er sie beide an den zarten Bann erinnerte, in dem er am Vortag von ihr gehalten worden war. »Ganz im Gegenteil. Nie zuvor hat ein Feind mein Herz je derart in Gefahr gebracht.«
Als Bannor kurze Zeit später mit Willow im Gefolge über den Turnierplatz schritt, verriet sein Gesicht eine Entschlossenheit, wie sie seine Männer vom Schlachtfeld her kannten. Sofort fragten sie sich, ob Frankreich vielleicht tatsächlich den Waffenstillstand gebrochen hatte, so wie es von Desmond gewünscht worden war.
Einige seiner treuesten Ritter und Waffenträger griffen nach ihren Schwertern und setzten sich ebenso aus Gewohnheit wie aus Neugier hinter ihm in Trab. Ihre Prozession führte sie in den Innenhof der Burg, wo ein hämisch grinsender Desmond einige der jüngeren Pagen zu einem Würfelspiel gezwungen hatte, dessen Sieger von vornherein festzustehen schien.
»Wenn ich erst mal der Herr von Elsinore bin«, sagte er und wog die Würfel in seiner Hand, »dann wird der Priester unsere Zeit nicht länger mit Unterricht im Lesen und Schreiben vergeuden. Und außerdem werde ich dafür sorgen, dass diese arroganten Knappen ihre Stiefel selber putzen, sodass ihr das nicht mehr müsst. Und falls
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