Rebellin der Nacht: Roman (German Edition)
das Leben zu verderben. Und wenn er es klug genug angestellt hätte, hätte ihn das genauso wenig gekostet.
Und dennoch... auch wenn der Gedanke an Giffords Leid ihm Befriedigung verschaffte, Byron konnte nicht behaupten, dass er seine Wunden heilte. Denn es war nicht so sehr das, was Gifford getan hatte, das Byron erzürnte, sondern das, was Byron dabei über sich selbst erfahren hatte. Dinge, mit denen er dreißig Jahre lang unwissend gelebt hatte; Dinge, die er gern mit ins Grab genommen hätte, ohne je von ihnen zu erfahren. Aber jetzt, nachdem Byron gezwungen gewesen war, sich seiner hässlichen Seite zu stellen, konnte er nicht mehr vergessen und auch nicht aufrichtig behaupten, dass er es wollte.
Er schüttete den letzten Schluck Scotch hinunter und betrachtete im Feuerschein das leere Glas, wobei er die Karaffe, die neben seinem Ellenbogen wartete, ignorierte. Dieser Weg führte in eine andere Art von Hölle, die jenen Männern gehörte, die zu leichtsinnig oder zu dreist waren, die Gefahr zu sehen. Und trotz des Handels, den er gerade abgeschlossen hatte, war er gewöhnlich keines von beidem.
Dieser Handel! Er betrachtete finster das Licht, das sich im Glas brach. Der erste neue Rock seit über einem Jahr, und er verlor gleich den Verstand. Doch er wusste, dem war nicht so. Obwohl das Angebot impulsiv gewesen war, hatte er sich doch im Vollbesitz all seiner Geisteskräfte befunden – mehr als zuvor, als ob Lady Victorias bloße Anwesenheit genügte, seinen vermodernden Sinnen Leben einzuhauchen. Sie war ein Rätsel, das er zu lösen trachtete – doch er hegte den Verdacht, dass es ihr nicht gefallen würde, sich enträtseln zu lassen, ohne ihrerseits zu enträtseln. Bei der Vorstellung, welche Fragen sich im Laufe einer Woche stellen konnten, zog Byron unangenehm berührt die Schultern hoch. Sie hatte vermutlich gleichfalls ein paar Geheimnisse, aber er hatte mehr als genug.
Er hatte seine Tür einem Wolf geöffnet, dennoch... nach so vielen Monaten mit lediglich einer Hand voll Bediensteter und seinen eigenen düsteren Gedanken zur Gesellschaft war ein Wolf möglicherweise genau die Herausforderung, die er brauchte.
Irgendwo tief in den Eingeweiden des Herrenhauses schlug eine Uhr neun. Schlag für Schlag verhallte langsam und um gerade so viel verstimmt, dass es Victoria die Nackenhaare aufstellte.
Die gekrümmte Gestalt Fanes – Fane Gregory, wie Victoria mittlerweile wusste, des Herzogs unmöglicher Verwalter, sein mutmaßlicher Kammerdiener und Butler – lief die Treppen voran, und der Kandelaber, den er über den Kopf hielt, zog verzerrte tanzende Schatten über die dunkel getäfelten Wände.
Endlich nahmen die Stufen ein Ende. Sie hätte nicht sagen können, ob sie sich im Erdgeschoss befand, in einem der oberen Stockwerke oder sogar in einem unterirdischen Geschoss. Ihr eigenes Zimmer lag im dritten Stock, aber sie hatte inzwischen festgestellt, dass die diversen Anbauten wie zufällig zusammengewürfelt waren. Vier Stockwerke in einem Teil konnten in einem anderen ohne weiteres sechs sein.
Fane glitt in einen engen Durchgang und dann auf eine breite Galerie mit einer Reihe schwarzer, in die Nacht blickender Fenster. Es war zu dunkel, um durch die regennassen Scheiben zu sehen, doch dann erhellte ein Blitz einen felsigen Abhang, der in einem Sturzbach tosenden Wassers endete. Daraufhin versank die Umgebung wieder in Schwärze, während der Donner über die kahlen Hügel grollte, und der Raum erschien noch dunkler als zuvor. Victoria verkniff es sich, ihren schweigsamen Führer zu fragen, wie weit es noch bis zum Speisesaal war.
Die Galerie endete unvermittelt, und Fane öffnete eine Tür an der Längsseite, die neben den riesigen Gemälden, die sie flankierten, unscheinbar klein wirkte.
»Lady Victoria Wakefield«, verkündete er in den dunklen Raum und verbeugte sich.
Victoria ordnete ihre Miene und rauschte hinter dem Dienstboten in den Raum.
Der Herzog lümmelte an der Längsseite der langen Tafel und wandte dem Feuer schon wieder den Rücken zu. Er war nicht der Typ, der einen Vorteil leichthin aufgab. Wie zuvor erhob er sich nicht, als sie eintrat, doch anstatt es ihm an Unhöflichkeit gleichzutun, neigte Victoria übertrieben den Kopf. Er hatte sich nicht so effizient platziert wie im Teak-Salon; sie konnte im Dunkeln erkennen, wie ein Anflug von Verärgerung über sein Gesicht flackerte, aber schnell der Belustigung wich.
»Bitte setzen Sie sich, Mylady«, sagte er und
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