Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rebellin der Nacht: Roman (German Edition)

Rebellin der Nacht: Roman (German Edition)

Titel: Rebellin der Nacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lydia Joyce
Vom Netzwerk:
heute Abend mit essen fertig.«
    Sie erstarrte. »Ich habe aber noch Hunger!« Die Worte kamen kalt und schroff heraus, während sie eine Vorahnung überfiel.
    Raeburn setzte sich so schnell wieder hin, wie er aufgestanden war, und zeigte, als er den Stuhl berührte, sofort ein träges Lächeln. Der Zorn, den er gerade noch an den Tag gelegt hatte, war fast verpufft und höchstens am ein wenig steifen Rücken ersichtlich, dem allzu lässig geneigten Kopf. Doch sie hatte das Gefühl, dass sie ihm mit ihrem Ausruf zu einem sonderbaren Sieg verholfen hatte: Sie hatte das erste Anzeichen von Schwäche gezeigt.
    »Dann, liebe Lady Victoria, fahren Sie bitte fort – essen Sie«, sagte er. »Ich möchte nicht, dass es heißt, ich ließe meine Gäste hungern.«
    Victorias Magen war nervös und rebellierte beim Gedanken an noch mehr Nahrung bedrohlich. Dennoch schnitt sie sich ein kleines Stück Braten ab und fing langsam zu kauen an.
    Byron beobachtete sie unverhohlen und amüsierte sich. Lady Victoria war sehr gefasst gewesen, bis zu dem Moment, als er vorgeschlagen hatte zu gehen – da war ein Riss in der Fassade aufgetaucht, der gerade wegen der glatten Perfektion ihres bisherigen Auftretens offensichtlich war. Sie errötete, war nervös – genau, wie er sie haben wollte.
    Wie er sie haben wollte, war, genau genommen, ohne dieses verdammte Kleid. Es war noch schrecklicher als ihre Reiseaufmachung, auch wenn er das vor einer Stunde noch für unmöglich gehalten hätte. Und ihr Haar war noch strenger und unvorteilhafter an den Schädel gepresst. Er hatte das merkwürdige Gefühl, dass sie ihn absichtlich verhöhnte, und widerstand dem Drang, ihr die Haarnadeln, eine nach der anderen, herauszuziehen. Stattdessen lehnte er sich in seinen Stuhl zurück und sah ihr dabei zu, wie sie in ihrem Essen herumstocherte.
    »Also, Mylady, wenn wir uns schon nicht über Sie unterhalten wollen, worüber unterhalten wir uns dann?«, sagte er mehr zu sich selbst. »Über Politik? Die Gesellschaft? Das Wetter?«
    Lady Victoria schaute auf und kniff die hellen Augen zu gefährlichen Schlitzen zusammen. »Es heißt, das Lieblingsthema eines Mannes sei immer er selbst.« Sie schob ein Stück Braten in den Mund, biss heftig zu, und ihre Kiefermuskulatur wölbte sich vor Zorn.
    »Ich bin es nicht gewohnt, über mich selbst zu sprechen«, erwiderte Byron und machte wegen des unvermittelten Themenwechsels ein finsteres Gesicht. »Wir sprechen über etwas anderes.«
    »Oh, sicher, Euer Gnaden, ich vergaß«, sagte sie mit süßlich boshafter Stimme. »Der Duke of Raeburn stellt sich keinen prüfenden Blicken. Er zieht es vor, im Schatten zu lauern und sich in den dunklen Mantel der Nacht und in noch dunklere Gerüchte zu hüllen.«
    Sie hob die Gabel, fuchtelte beim Sprechen damit vor ihm herum, und er fühlte, wie ihm die Zornesröte ins Gesicht stieg, als sie ihn schelmisch anlächelte. »Er reist nur in dicht verhängten Kutschen, lässt sich nur zwischen Dämmerung und Morgengrauen in Gesellschaft sehen und reitet im Schutze der Nacht. Alles fragt sich, wovor fürchtet er sich? Was hat er zu verbergen? Ist er entstellt? Missgebildet?«
    Byron überkam weiß glühender Zorn, sein Arm fuhr über den Tisch. Er packte ihre Hand und brachte die Gabel mitten im Schwung zum Halten. Wie konnte sie es wagen, ihn zu verspotten? Wie konnte diese alte Jungfer es wagen, in sein Leben zu marschieren und über Dinge zu urteilen, von denen sie nichts wusste?
    Ein kleiner Teil von ihm wusste, dass er irrational reagierte, doch es war ihm egal. Ihre Miene erinnerte ihn an all die anderen Gesichter, die ihn während der letzten Jahre angegafft hatten – aufgeregte Damen, die hinter ihren Fächern flüsterten; Kinder, die ihn mit der unverhohlenen Neugier der Jugend anstarrten; der halb mitleidige, halb furchtsame Blick seiner eigenen Kindermädchen; und ein junges Gesicht, das von solchem Schrecken und Widerwillen gezeichnet war, dass auch ein Vierteljahrhundert nicht ausgereicht hatte, auch nur ein Detail des Bildes auszuradieren, das sich in sein Gedächtnis eingebrannt hatte. Die Erinnerung überrollte ihn, als starrten die gierigen, abschätzigen Augen seiner vierunddreißig Jahre ihn alle auf einmal an, und er stieß sie in boshafter Raserei von sich.
    »Was wissen Sie schon von mir und meinen Beweggründen?«, keuchte er. »Woher nehmen Sie das Recht zu solch ignoranten Äußerungen?«
    Lady Victoria sagte immer noch nichts. Ihre Hand fühlte sich in

Weitere Kostenlose Bücher