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Rebellin der Nacht: Roman (German Edition)

Rebellin der Nacht: Roman (German Edition)

Titel: Rebellin der Nacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lydia Joyce
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schmallippig. »Meine Zeit gehört Ihnen.«
    »Aber natürlich«, erwiderte er und bot ihr den Arm, als gingen sie auf einen Ball.
    Sie nickte ihm zu, nahm seinen Arm und ließ sich aus dem Zimmer geleiten.

7. Kapitel
     
    Die Kutsche fuhr rumpelnd dahin, und Victoria legte die Finger fester um die lederne Haltschlaufe. Sie spürte Raeburn, der ihr gegenübersaß, als Präsenz in der Dunkelheit, sehen konnte sie ihn nicht, denn die Kutsche hatte keine Fenster.
    Sie kämpfte gegen ein plötzliches Gefühl der Verlassenheit. Sie war von wahnsinnigen Dienstboten und deren noch wahnsinnigerem Herrn umgeben. Er reist nur bei Dunkelheit … Das Gerücht erwies sich als wahrer, als sie es sich hatte ausmalen können. Welche von den sonderbaren Geschichten basierte noch auf Tatsachen?
    Sie hörte Raeburn herumrutschen, als die Kutsche über den nächsten Steinbrocken holperte. Anspannung lag in der Luft. Er wartete, begriff sie – er wartete, dass sie die Frage stellte, die ihr auf der Zunge lag. Warum?
    Sie dachte an seinen Gesichtsausdruck, als sie das Herrenhaus verlassen hatten und die Kutsche wie ein großer schwarzer Sarg vor dem Haupteingang gestanden hatte. Sie hatte einen fassungslosen Blick in seine Richtung geworfen und gesehen, dass er sie beobachtete. Er schien eine Bemerkung provozieren zu wollen, aber sie war hilflos gewesen, als sei sie auf ein schändliches, unsagbar peinliches Geheimnis gestoßen. Und bevor sie noch irgendwie reagieren konnte, hatte der Lakai schon den Schlag geöffnet und den Tritt heruntergeklappt. Zeit zum Einsteigen.
    Seither fuhren sie schweigend dahin.
    Wie lächerlich, dachte Victoria. Sie hatten die Nacht zuvor etwas miteinander geteilt. Etwas, das mehr als nur ihre Körper betraf. Sie hatte Raeburn angesehen und in ihm etwas von sich selbst erkannt. Jetzt war er entrückt und unnahbar, obwohl die Anziehung zwischen ihnen beiden die Luft in der geschlossenen Truhe der Kutsche zum Schneiden dick machte. Er war so entrückt und unnahbar wie bei ihrer Ankunft.
    Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis die Kutsche anhielt. Victoria blinzelte gegen das helle Licht an, als der Lakai die Tür öffnete. Raeburn klappte seinen Mantelkragen hoch, schob sich den seidenen Schal ins Gesicht und zog seinen Hut tief über die Augen – einen altmodischen, breitkrempigen Hut, das einzig sonderbare Teil seiner ansonsten eleganten Aufmachung. Dann stieg er aus der Kutsche und hielt ihr den Arm hin, mehr Befehl als Offerte.
    Victoria stützte sich darauf, als sie auf die Kiesfläche vor dem Haus trat. Sie wollte stehen bleiben, um sich das Haus genauer anzusehen, doch Raeburn klemmte sich ihren Arm an die Seite und eilte mit ihr den Weg zur Tür entlang, den Kopf gesenkt, die Schritte hastig. Trotz ihrer langen Beine musste Victoria fast laufen, um mit ihm Schritt zu halten, und musste sich so darauf konzentrieren, auf dem unebenen Weg nicht zu stolpern, dass sie nur einen flüchtigen Blick auf das Haus erhaschte – roter Backstein im Fischgrätmuster, weißer Stuck und lange schwarze Eichenbalken. Dann waren sie drinnen.
    Sobald die Tür zu war, blieb Raeburn wie angewurzelt stehen, als sei er nicht im Mindesten in Eile.
    »Ich werde einen Meisterstuckateur holen, der die Ornamente an den oberen Stockwerken restauriert«, sagte er mit wohl kalkulierter Lässigkeit. »Ein paar davon sind verloren gegangen, als vor hundert Jahren die Giebel an der Westseite ausgebessert wurden, aber die Muster lassen sich ohne weiteres rekonstruieren.«
    »Oh«, meinte Victoria und wusste nicht, was sie sagen sollte. Die Frage stand immer noch unausgesprochen zwischen ihnen, aber Raeburn hatte einen unnahbaren Zug ums Kinn, und seine haselnussbraunen Augen sahen sie stechend an und verbaten sich alle Fragen. Sie konnte sich nicht dazu durchringen, sich mit ihm anzulegen.
    Ein stämmiger Mann mittleren Alters schlenderte in den Raum, staubbedeckt und mit einer Schürze um die Hüften.
    »Euer Gnaden!«, rief er herzlich aus. »Großartige Neuigkeiten, großartige Neuigkeiten! Die Holzarbeiten im Erdgeschoss sind fertig, und wir können am Anbau weiterarbeiten.«
    Raeburn lächelte trocken. »Schön, dass wenigstens einmal alles glatt geht.«
    Der Mann nickte, als mache ihm die Bemerkung nichts aus. »Natürlich, natürlich. Aber kommen Sie! Sie müssen sich anschauen, was wir seit Ihrem letzten Besuch gemacht haben.«
    »Ich würde mich lieber auf eigene Faust umsehen, falls es Ihnen nichts ausmacht, Harter. Und Ihre

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