Rebellin der Nacht: Roman (German Edition)
Ladyschaft gleichfalls. Ich finde Sie schon, sollte ich Sie brauchen.«
Harter verbeugte sich geistesabwesend vor Victoria und rieb die Hände an der Schürze ab. »Ich verstehe. Also dann, Euer Gnaden, Mylady, ich bin schon wieder weg...«
Womit er durch einen Durchgang verschwand, aus dem ein Hämmern in den Raum drang.
Raeburn ließ Victorias Arm los und bewegte sich tiefer in den Raum. »Stochern Sie ruhig herum, wenn Sie wollen.« Er warf einen schiefen Blick über die Schulter nach hinten. »Hier lauern keine Gefahren, wissen Sie.«
Victoria begriff, dass ihr die Verunsicherung ins Gesicht geschrieben stand, und setzt einen kühlere Miene auf. »Mich hat zwar noch nie ein Teppich gebissen, aber da es sich um Ihr Haus handelt, bleibt mir nichts anderes übrig, als vorsichtig zu sein. Die Unvorhersehbarkeit scheint ein fundamentaler Bestandteil Ihrer Persönlichkeit zu sein.«
Raeburn schnaubte nur, drehte sich nicht um, sondern studierte weiter die Vertäfelung an der gegenüberliegenden Wand.
Victoria zuckte im Geiste die Schultern und entschied, dass sie genauso gut irgendwo »herumstochern« konnte, wenn er sie sowieso ignorierte.
Sie stand genau in der Mitte des in die Breite gestreckten Raums, der einst eine Halle gewesen war und jetzt mit Hilfe von Möbeln und Teppichen, rechts und links von ihr, in zwei unterschiedliche Salons unterteilt war, die in Scharlachrot, Purpur und Dunkelbraun dekoriert waren. Wie ein Sonnenuntergang in Yorkshire , erinnerte sie sich an den strahlend schönen Anblick, als sie in Leeds aus dem Zug gestiegen war.
Der Zuschnitt des Raums hätte einschüchternd wirken müssen, doch er hatte etwas seltsam Anheimelndes, Intimes an sich. Trotz der altertümlichen Möbel und der glänzenden, frisch polierten Vertäfelung strahlte er etwas Lebendiges aus.
Sie ging in den Salon, der dem Raum gegenüberlag, den Raeburn gerade inspizierte, und registrierte die schweren, schlichten Linien der Möbel und die archaischen Gemälde, die an den Wänden hingen. Aber das Auffälligste waren die schmalen bunten Glasfenster, die am Ende der Halle den Kamin flankierten. Vier leuchtende, edelsteinfarbene Glasbilder, die ranke lang gesichtige Frauen mit raffiniert drapierten Roben und wallendem Haar zeigten. Die Fenster bildeten zudem die einzige unverstellte Lichtquelle im ganzen Raum, denn sämtliche anderen Fenster waren zugehängt.
»Es ist recht außergewöhnlich«, sagte sie, was untertrieben war. »Die meisten Menschen hätten das Haus wohl heller und zierlicher hergerichtet. Es sieht definitiv mittelalterlich aus.«
Sie drehte sich nach dem Herzog um und sah gerade noch ein unerfreutes Lächeln über sein Gesicht huschen. »Zierlichkeiten passen nicht zu mir. Das schon.« Er schien erst entscheiden zu müssen, ob er etwas hinzufügen wollte, dann sagte er: »Ich habe vor zwei Jahren einen jungen Architekten namens Webb kennen gelernt. Er ist idealistisch bis zum Wahn und glaubt, er sei Teil einer künstlerischen Revolution, aber ich mag seine Arbeiten. Schlichtheit, naturalistische Schönheit und Mittelalterlichkeit sind die Leitprinzipien, um die es der Gruppe geht – sie nennen sich Präraffaeliten. Man könnte sie eine Bruderschaft für Architektur und Design nennen, würde ich sagen. Ich bin zu zynisch, als dass mich ihre Ideen begeistern könnten, aber ich habe Webbs Firma auch nicht angeheuert, um mich zu inspirieren, sondern um ein Haus herzurichten.«
»Wie praktisch«, murmelte Victoria vage enttäuscht und glaubte ihm nur halb. Aber was hatte sie erwartet? Eine enthusiastische Rede über sein persönliches Schönheitsideal? Sie hatte das Gefühl, dem Haus nicht gerecht geworden zu sein, und fügte hinzu: »Es ist wirklich sehr schön. Nicht das, was ich erwartet hatte, aber dennoch schön.«
Raeburn erwiderte nichts, während er im anderen Salon im Kreis ging. »Harter hat Recht«, war alles, was er schließlich sagte. »Es ist fertig.« Er wies in Richtung des breiten Durchgangs gegenüber der Eingangstür. »Sehen wir uns den Rest an.«
Victoria ging voran und kam zu weiteren Räumen, die die vorherigen spiegelten, aber als Salon und Speisezimmer eingerichtet waren, Gold, Rostrot und Dunkelblau mit einem Dutzend kunstvoll verhängter Fenster an der hinteren Wand. Die kleinen oberen Querfenster waren frei und gleichfalls bunt verglast und zeigten Blumenranken und Reben. Victoria hatte das seltsame Gefühl, dass sie sowohl der Schönheit als auch der Beleuchtung dienten
Weitere Kostenlose Bücher