Rebellin der Nacht: Roman (German Edition)
Stunde Schlaf.«
Victoria verkniff sich ein Lächeln und entspannte sich. »Das sollte Sie lehren, nicht nach Komplimenten zu fischen.«
»Wenn ich das bei Ihnen versuchte, würde ich am Ende meines Hakens wohl immer einen Schuh vorfinden.«
»Exakt.«
Raeburn warf das Handtuch über die Schulter. »Haben Sie irgendeinen speziellen Grund, mich hier aufzusuchen?«
Victoria schüttelte den Kopf. »Langeweile. Ich dachte, Sie langweilen sich bestimmt nicht so wie ich.«
Er lachte. »Wer weiß, denn woher soll ich wissen, wie langweilig Ihnen genau ist? Wie auch immer, der Rest des Tages sollte Sie nicht allzu sehr langweilen.«
»Oh?« Victoria zog eine Augenbraue hoch.
»Ich habe die Köchin angewiesen, uns einen Picknickkorb zu packen. Wir reiten aus und essen am Rock Keep.«
»Sie haben es nicht vergessen!«, rief Victoria und freute sich aufrichtig.
»Und mein Versprechen gehalten. Wenn Sie möchten, begleite ich Sie auf Ihr Zimmer zurück, und wir treffen uns in einer halben Stunde unten in der Halle. Das lässt Ihnen Zeit, sich umzuziehen, und mir, mich zu waschen.«
»Das passt bestens«, sagte Victoria.
»Also dann, gehen wir.«
Raeburn wartete schon mit einem Lakaien, als Victoria in die Halle kam. Er trug seinen breitkrempigen Hut, der an den eines Pfarrers erinnerte, und hatte den Seidenschal bis zum Kinn hochgezogen. Abgesehen davon sah er wie jeder andere Gentleman aus, der zu einem morgendlichen Ausritt aufbrach. Er begutachtete sie, während sie näher kam.
»Ich habe Reitsachen an Frauen immer gehasst«, stellte er fest.
Victoria schob die letzten Hutnadeln durch ihren Hut und war bei ihm. »Fühlen Sie sich in Ihrer rechtmäßigen Position bedrängt, wenn Damen sich männlich kleiden?«
Er lächelte und bot ihr den Arm. »So unsicher bin ich nicht. Nein, ich finde es einfach dumm, Anzug und Korsett so aufdringlich miteinander zu kombinieren. Wenn Turnüren und Spitzenfirlefanz übertrieben sind, dann ist diese Ernsthaftigkeit schlimmer. Und was Ihren Hut angeht …« Er betrachtete argwöhnisch die federbesetzte Damenversion eines Zylinders, die auf ihrem Kopf thronte. »Da erübrigt sich jeder Kommentar. Er spricht für sich selbst.«
Victoria nahm seinen Arm und betrachtete die stahlblaue steife Seide, die unter ihrem schwarzen Umhang hervorblitzte. Das Reitkleid war ihrer eigenen Garderobe in Farbe und Form sicher ähnlicher als alle anderen Kleider, die Raeburn für sie geordert hatte. »Ich mag es aber«, sagte sie, weil sie den seltsamen Drang verspürte, gegen ihn zu sticheln.
Raeburn schnaubte nur und nickte Andrew zu, ihnen die Tür aufzuhalten.
Victoria sah verunsichert zu den dunklen, tief hängenden Wolken auf, während sie auf die Auffahrt hinaustrat. Es sah eher nach frühem Abend als nach spätem Morgen aus. Deshalb ist er also willens, heute auszureiten, dachte sie. Die dunkle Vorahnung passte zum verhangenen Himmel.
Der Stallknecht brachte die Pferde, beides spektakuläre Exemplare, was Victoria nicht im Mindesten überraschte. Auch wenn Raeburn nicht ein jagdverrückter Mann war – es nicht sein konnte -, war er doch wählerisch genug, um darauf zu bestehen, dass in seinen Ställen nur die besten Pferde standen. Dennoch zog sie die Augenbraue hoch, als sie den gut polierten Damensattel auf dem Rücken des Braunen sah.
»Noch so ein Erbstück Ihres Onkels?«, fragte sie, um Konversation zu machen.
Raeburn zuckte die Schultern. »Princess war eigentlich für Leticia bestimmt, aber er wird sicher gut zu Ihnen passen.«
» Er heißt Princess?« Ihr Unbehagen wich der Fassungslosigkeit.
»Das ist natürlich nicht sein richtiger Name. Die Stallburschen auf Chathamwort haben ihn so genannt, und der Name passt so gut, dass er hängen geblieben ist.« Er zog eine Grimasse. »Sie werden schon sehen, was ich meine.«
»Und sie?« Sie wies auf die schwarze Stute. »Apollonia hat nur diesen einen Namen.« Er runzelte die Stirn. »Stephen hat davon abgesehen, einen Aufsteigblock zu bringen. Soll ich Ihnen hinaufhelfen?«
»Der Tag, an dem ich nicht mehr ohne Hilfe aufs Pferd komme, ist der Tag, an dem ich es nicht mehr verdiene, eine englische Lady genannt zu werden.« Sie schwang sich in den Sattel, zog den Rock zurecht und hakte das rechte Bein über die Stütze, so dass beide Beine links herabhingen. Dann nickte sie dem Stallburschen zu und nahm ihm die Zügel ab, Oh, wie hatte sie das vermisst! Diese Kraft unter ihr, diese Muskeln und diese Freiheit. Es war noch
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