Rebellin der Nacht: Roman (German Edition)
ertappt.
Schwere Wolken schoben sich vor die Sonne, löschten das zarte Licht, und der Augenblick war dahin. Byron seufzte. Er hätte erfreut sein müssen. Mehr Dunkel bedeutete größere Sicherheit. Doch er konnte sich das Bedauern nicht verkneifen.
»Das Land hier ist ganz anders als die wogenden Felder, wie ich sie gewohnt bin. Dennoch ist es auf seine Art schön.«
Byron lächelte, auch wenn sie es nicht sehen konnte. »Wenn das so weitergeht, zitieren Sie bald noch die so genannten See-Poeten.«
Victoria schnaubte, ohne sich umzudrehen. »Wenn Sie schon bei den Präraffaeliten zu zynisch sind, dann sind Sie es erst recht bei Wordsworth oder Coleridge.« Sie sah die Stufen hinauf. »Ich würde gern höher hinauf, aber Feigling, der ich bin, will ich nicht meinen Hals riskieren.« »Feigheit wird allzu oft mit Weisheit verwechselt«, intonierte Byron, was ihm einen erbosten Blick einbrachte, doch Victoria sagte nur: »Ich schätze, ich sollte wieder nach unten gehen. Wir sind beide ziemlich feucht, und so wie es aussieht, öffnet der Himmel jeden Moment seine Pforten.«
Byron lief widerwillig die Stufen hinunter. Unten angekommen, reichte er Victoria den Arm, und sie schoben sich Seite an Seite durch den Spalt in der Mauer.
Als wäre das das Zeichen gewesen, brachen die Wolken auf, und der Nieselregen verwandelte sich in schwere Regenschauer.
Victoria stieß einen verstörten Laut aus. »Das ist das zweite Mal, dass ich Ihretwegen nass werde!«
Dann riss sie sich ohne Vorwarnung los und rannte auf das schützende Außengebäude zu. Doch bevor sie es erreichte, hörte Byron über den rauschenden Regen hinweg ihr Lachen – und es war kein hysterisches Lachen, weil sie völlig durchnässt wurde, sondern ein verwegenes, freudiges Gelächter, das von irgendwo tief aus der Erde den Weg in ihre Kehle gefunden zu haben schien.
Als er sich kurz darauf durch den Durchgang duckte, stand Victoria ohne Hut und triefend mitten im Raum und hängte ihren Umhang am Dachbalken an einen Haken. Er konnte sogar in der Dunkelheit des regengepeitschten Unterstands erkennen, dass ihr Haar zerzaust, ihre Augen strahlend und ihre Wangen gerötet waren. Sie warf ihm einen tadelnden Blick zu, aber ihr leuchtendes Gesicht strafte sie Lügen.
»Wenn ich nach diesem Unsinn nicht eine Woche lang krank bin, habe ich noch Glück gehabt«, sagte sie.
Byron zog Mantel und Hut aus und hängte beides zu ihren Sachen. »Ich bezweifle, dass Sie zum Schwächeln neigen.«
Victoria lachte. »Sie könnten wenigstens so tun, als seien Sie besorgt.«
»Wenn nicht so offensichtlich wäre, welchen Spaß Ihnen all das macht, wäre ich das auch.« Er wickelte sich den Schal vom Hals und hängte ihn über den Mantel.
Zu seiner Überraschung sah Victoria tatsächlich verblüfft aus. »Sie haben mich lachen hören?«
»Glockenhell. Es kam unerwartet, gelinde gesagt.« Er wartete auf eine Erklärung.
Sie zögerte, dann senkte sie den Blick auf die Hände und zog langsam die Handschuhe aus. »Sie haben mich ertappt, sehe ich.« Sie lachte, aber es hörte sich gequält an. »Sie müssen mich für verrückt halten.«
»Niemals.« Er zog gleichfalls die Handschuhe aus und nahm ihre Hand zwischen seine. Seine Hände waren vom Regen kalt, ihre waren eisig. Er runzelte die Stirn. »Wir haben hier sicher etwas Feuerholz.«
Victoria entzog ihm ihre Hand und sah sich energisch um. »Da drüben«, sagte sie und nickte in Richtung der Ecke, in der die Pritsche stand. »Aber dürfen wir es benutzen? Ich würde mich schuldig fühlen, wenn jemand anderes hier frieren müsste …«
Byron tat ihre Bedenken mit einer Handbewegung ab, während er auf den Holzhaufen zuging, der halb unter der Pritsche verborgen lag. »Die Schäfer gehen ein paar Wochen, bevor das Lammen beginnt, ihre Unterstände ab und kümmern sich um die Vorräte. Abgesehen davon sollen sie den Bau hier gar nicht benutzen. Betrachten Sie es als Pachtzins.« Er sah sich das verkohlte Rund auf dem Boden an, das jetzt nass vom Regen war, der durch die Öffnung im Dach fiel.
»Neben dem Eingang?«, schlug Victoria vor.
Byron nickte, packte einen Arm voll Feuerholz zusammen und brachte es zum Durchgang, wo er es neben der Schwelle aufschichtete. Dann zog er eine Zunderschachtel aus der Jackentasche und schaffte es beim dritten Versuch, ein Feuer zu entzünden. Die hüpfenden, züngelnden Funken bewegten sich vom Zunder zum Anmachholz, das mit stetiger Flamme brannte. Victoria kam näher.
Sie sah zum
Weitere Kostenlose Bücher