Rebellin der Nacht: Roman (German Edition)
wusch. Er hätte derjenige sein sollen, der die warmen Ziegelsteine um sie herumlegte und sie in die Eiderdaunendecke hüllte. Als Annie Victorias Kopf anhob, damit Mrs. Peasebody die Haarnadeln herausziehen konnte, die um die Wunde herum steckten, hielt Byron es nicht länger aus. Er ging unwillkürlich auf das Bett zu.
Die beiden Frauen sahen auf und unterbrachen ihre Arbeit. So abgelenkt er auch war, Annies entsetzter Gesichtsausdruck entging ihm nicht. Würde Victorias Gesicht denselben Ausdruck tragen, wenn sie erwachte und ihn sah?
»Ich, ich mache das jetzt«, brachte er heraus. »Und ich bleibe bei ihr, bis der Doktor kommt. Sie sind bis dahin entlassen.« Seine Stimme hörte sich fremd und rau an, als gehöre sie einem anderen.
Mrs. Peasebody machte den Mund auf, ihr Blick ein einziger Protest, doch dann entspannte sich ihre Miene, und sie sagte nur: »Natürlich, Euer Gnaden. Wir warten draußen, falls Sie irgendwas brauchen sollten.«
Einen Augenblick später waren sie fort.
Byrons Seufzer verfing sich in seiner Kehle. Er nahm einen Kamm vom Nachtisch, setzte sich ans Kopfende des Bettes und tastete langsam mit den Fingern durch Victorias Haare. Er fand jede Nadel, zog sie vorsichtig heraus und legte sie behutsam zur Seite, als seien sie das Kostbarste auf der ganzen Welt. Als er sicher war, alle gefunden zu haben, kämmte er das Haar sanft, wobei er alle Zweiglein und Farnblättchen herauszog und die Schlammreste abwusch. Es schien ewig zu dauern, bis er die Kopfhaut erreichte, den Kamm zur Seite legte und sie mit einem feuchten Tuch abtupfte, wobei er der Wunde näher und näher kam, bis er sie schließlich säuberte.
Victoria ächzte und stöhnte zum ersten Mal. Ihr Gesicht verzog sich, aber ihre Augen blieben fest geschlossen.
»Bin bloß ich«, sagte Byron heiser, während ihm eine neue Furcht die Kehle abdrückte – die gänzliche selbstsüchtige Furcht, gesehen und verstoßen zu werden.
Aber er hatte keinen Grund zur Sorge, denn sie beruhigte sich, als sie seine Stimme hörte, regte sich nicht mehr. Byron kehrte an seine Arbeit zurück, und sein eigener Schmerz legte sich, weil er ihr zu Diensten sein konnte.
Endlich war er fertig. Er trocknete ihr Haar, so gut er konnte, und tauschte das feuchte Kissen unter ihrem Kopf gegen ein trockenes aus. Dann blies er die Lampe auf dem Nachtisch aus und wartete im Dunkeln an ihrer Seite. Victorias kraftlose Hand lag zwischen seinen Händen, und das Brennen in seinem Gesicht war nur ein Echo der brennenden Angst in seinem Herzen.
17. Kapitel
Das Gefühl von Geschwindigkeit, ein Brausen, ein plötzlicher stechender Schmerz, der ihren Körper durchzuckte. Sie schwamm durch den Nebel nach oben, auf das rötliche Licht auf der anderen Seite der Augenlider zu …
Stimmen wie Vogelgezwitscher; ein unverständliches Zirpen von ganz weit weg, hoch und weiblich und absurd; dann eine andere Stimme, tief und gemessen...
»Kopfverletzungen sind trickreiche Angelegenheiten, Euer Gnaden, und ich würde nicht meinen Ruf darauf verwetten, wie es ihr geht, solange ich nicht mit ihr gesprochen habe, aber ich glaube nicht, dass ihr diese Wunde da mehr als ein, zwei Tage furchtbarer Kopfschmerzen einbringt. Der Knöchel, nun, das wird länger dauern. Er ist gebrochen, sicher, aber es scheint sich um einen sauberen Bruch zu handeln. In sechs Wochen geht es wieder gut. Ich habe ihn bandagiert und hochgelagert, was alles ist, was ich jetzt für sie tun kann.«
»Danke, Dr. Merrick.«
Diese Stimme – eine Stimme wie keine andere. Sie kannte diese Stimme, sie beruhigte sie und traf sie gleichzeitig wie ein Peitschenschlag. Sie kämpfte sich durch den Nebel, aber er zog sie wieder hinunter, und von oben drückten tausend Federdecken auf sie.
»Mrs. Peasebody, ich lasse Ihnen diese Tropfen hier. Geben Sie einen davon alle zwei Stunden in eine Tasse Rinderbrühe, und tropfen Sie ihr die Brühe ein, falls sie trinkt …«
Sie kämpfte, aber die Stimmen verschwammen und verloren sich in dem dunklen Loch, das sich unter ihr auftat und sie verschluckte.
Sie kämpfte gegen das Vergessen – für Sekunden, Stunden, Tage, sie wusste es nicht. Dann...
Rotes, flackerndes Licht und das Gefühl der Enge. Sie riss die Augen gegen das Gewicht der Lider auf. Das Licht verwandelte sich von Rot in Gelb und hämmerte an ihren Hinterkopf. Sie stöhnte, und ein Schatten schob sich vor das Licht.
»Still, Liebes. Alles wird wieder gut.«
Sie wollte den Kopf schütteln, doch er
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