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Rebellin unter Feen

Titel: Rebellin unter Feen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. J. Anderson
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Hilfe man sich verlassen kann, wenn man sie braucht. Du hast wirklich keine beste Freundin?«
    »Nein«, antwortete Klinge. Er auch nicht, vermutete sie – oder wenigstens nicht mehr. Wenn er einen besten oder überhaupt –einen Freund hätte, würde er sich nicht vor seinen Eltern und der ganzen Welt in seinem Zimmer verstecken.
    »Ist das bei allen Feen so?«
    Klinge nickte. Obwohl es vielleicht einmal anders gewesen war – aber dazu musste sie erst Heides Tagebuch weiterlesen.
    Kopfschüttelnd blätterte Paul eine Seite um.
    »Was ist das?« Klinge zeigte auf das Foto eines viel kleineren Paul, der neben einem Gemälde mit einer winterlichen Landschaft stand.
    »Das Bild? Damit habe ich an einem Wettbewerb teilgenommen, als ich neun war. Es hat den ersten Preis gewonnen.«
    »Konntest du immer so gut malen?«, fragte Klinge.
    »Nicht von Anfang an. Ich habe immer gern gemalt, aber hauptsächlich Kritzeleien wie andere kleine Kinder auch. Mit acht habe ich dann plötzlich angefangen, alles Mögliche abzumalen. Meine Eltern wussten zuerst nicht, was sie davon halten sollten, aber meine Lehrer waren begeistert. Wahrscheinlich sahen sie in mir schon den nächsten Alfred Wrenfield, nur ohne die verrückte letzte Phase. Es war damals auch tatsächlich mein größter Wunsch, ein berühmter Maler zu werden.«
    Paul klang abwesend, als hätte er diesen Kindertraum längst begraben. Klinge runzelte die Stirn. Warum malte er dann immer noch?
    »Egal«, sagte Paul, »schauen wir uns die Fotos weiter an …«
    Er hielt inne, und Klinge spürte, wie sich alles in ihm anspannte. »Was ist?«, fragte sie.
    Er antwortete nicht. Unten auf der Seite saß ein hellblonder Junge in einem schmalen Ruderboot. Seine Zähne leuchteten weiß und er warf jubelnd die Arme in die Luft. Doch Klinge war nur ein kurzer Blick auf das Foto vergönnt. Blitzschnell schlug Paul mit der Hand darauf und riss es heraus.
    Klinge zuckte instinktiv zurück, verlor das Gleichgewicht und rutschte von Pauls Schulter. Mit einem erstickten Schrei fiel sie hinunter, prallte gegen die Kante des Sofas und schlug auf dem Teppich auf.
    Einen Moment lang blieb sie benommen und wie gelähmt liegen. Paul hatte die Faust um das Foto geschlossen und starrte in die Ferne. Offenbar hatte er nicht gemerkt, dass sie gestürzt war. Sie holte tief Luft. Es klang wie ein Schluchzen. »Paul!«
    Paul verzerrte wütend das Gesicht. Mit einer heftigen Handbewegung stieß er das Fotobuch vom Schoß. Klinge hob schützend die Arme über den Kopf. Das Buch landete krachend neben ihr, und Seiten und Fotos flogen in alle Richtungen.
    Als sie nach einer Weile vorsichtig aufblickte, war Paul verschwunden. An ihrem schmerzenden Knöchel spürte sie das Gewicht des Buchdeckels. Das Buch hat mich getroffen, dachte sie wie betäubt. Empörung breitete sich in ihr aus. Paul hat es nach mir geworfen.
    Für Geschäfte von Feen untereinander galten feste Regeln, unabhängig davon, ob Zauberei bei ihrem Zustandekommen eine Rolle spielte. Wenn eine Partei die andere schlug, und sei es auch nur versehentlich, war die andere Partei aller Verpflichtungen ihr gegenüber ledig. Bisher hatte Klinge in Pauls Schuld gestanden, auch wenn er von Geschenken gesprochen hatte. Jetzt schuldete sie ihm nichts mehr.
    Ihre Wut verlieh ihr neue Kraft. Sie kroch zwischen den Trümmern des Fotoalbums hervor und schlich hinkend über den Teppich zum Gang.
    »Ich finde keine Schere!«, schrie Paul in der Küche. Schranktüren und Schubladen knallten zu. »Kein Messer, keine Streichhölzer, nichts!« Eine Pause folgte, dann sagte er leise, aber hasserfüllt: »Ach guck mal, das ist ja rührend. Sie hat die Sachen, mitdenen man sich wehtun kann, alle nach oben geschafft, damit ihr kleiner Krüppel nicht drankommt.«
    Klinge ging mit zusammengebissenen Zähnen weiter. Alle Fenster auf dieser Seite des Hauses waren geschlossen. Sie ging schneller, in Richtung Wohnzimmer. Aus der Küche kam wieder Lärm. Sie warf einen Blick über die Schulter, konnte vor lauter Krach aber keinen klaren Gedanken fassen. »Aufhören!«, brüllte sie zur Küche hin.
    Ein Kochtopf flog scheppernd über die Fliesen. »Sei du still!«, brüllte Paul zurück.
    Klinge rannte zur Terassentür im Wohnzimmer und zog daran. Dann packte sie entschlossen den Vorhang neben der Tür und hangelte sich daran hinauf. Sie hatte die Türklinke fast erreicht, da hörte sie Pauls Stimme hinter sich.
    »Was machst du da?«
    Sie kletterte das letzte Stück

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