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Rebellin unter Feen

Titel: Rebellin unter Feen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. J. Anderson
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waren die anderen Küchenarbeiter jederzeit bereit, das Rotkehlchen zu putzen und auszunehmen. Die Chefköchin wollte Klinge allerdings nicht so leicht davonkommen lassen. Sie folgte ihr den ganzen Gang entlang und die Treppe hinauf und schimpfte sie für ihre Faulheit und Unfähigkeit so laut, dass es in der ganzen Eiche zu hören war. Erst kurz vor Klinges Zimmer gingen ihr die Beleidigungen aus, und sie zog verschnupft ab.
    Keuchend blieb Klinge stehen und lehnte sich an die Wand. Am liebsten hätte sie sich zu Malve umgedreht und ihr eine Ohrfeige in ihr selbstgefälliges Gesicht verpasst, aber das hätte alles nur noch schlimmer gemacht.
    Sie wollte weitergehen, aber ihre Beine zitterten, und sie musste sich setzen.
    »Klinge.«
    Sie drehte den Kopf. Einige Stufen über ihr stand Baldriana. Sie hielt ihr die Hand hin. Zu müde, um zu protestieren, nahm Klinge sie und ließ sich von der Heilerin aufhelfen.
    »Du musst dich ausruhen«, sagte Baldriana. Zu Klinges Überraschung fügte sie hinzu: »Wenn Malve sich bei der Königin über dich beschwert, werde ich mich für dich verwenden.«
    »Aber der Streit hat ja nichts mit dir zu tun«, meinte Klinge.
    »Nein, aber mit dir auch nicht, auch wenn Malve es so aussehen lassen will.« Baldriana begleitete Klinge die letzten Stufen nach oben und den geschwungenen Treppenabsatz entlang. Vor Klinges Zimmertür blieben sie stehen. »Sie wird sich erst zufrieden geben, wenn du genauso unglücklich bist wie sie.«
    »Unglücklich! Malve sitzt da drunten doch im Paradies. Sie kann alle herumkommandieren und tyrannisieren. Was soll sie von mir wollen?«
    »Sie hasst dich, weil sie sich in deiner Gegenwart unwichtig fühlt«, erklärte Baldriana ruhig. »Sie kann dich zwar zum Gehorsam zwingen, aber nicht dazu, sie zu fürchten. Sie hat nicht deine Kraft und dein Selbstvertrauen. Zwar weiß sie tief im Innern, dass du ihren Hass nicht verdienst, aber deshalb hasst sie dich nur um so mehr.«
    Klinge sah Baldriana stirnrunzelnd an. Sie spürte unwillkürlich, dass Baldriana die Wahrheit sagte – aber woher wusste die Heilerin das alles? Klinge hatte noch nie erlebt, dass eine Bewohnerin der Eiche über die Gedanken und Gefühle von jemand anderem sprach. Man hätte geradezu meinen können, Baldriana sei einmal bei den Menschen gewesen. Aber das war natürlich unmöglich, wie sie wusste.
    »Ruh dich jetzt aus«, sagte Baldriana. »Ich hätte dich vor der Königin nicht für einsatzfähig erklären sollen. Deine Erschöpfung ist viel größer, als ich dachte.«
    Klinge verspürte Gewissensbisse. Wenn sie nicht die ganze Nacht gelesen hätte, wäre sie jetzt ausgeschlafen. Aber wie sollte sie Baldriana das erklären, ohne ihr von Heides Tagebuch zu erzählen? Sie nickte also nur kleinlaut, ging in ihr Zimmer, ließ sich aufs Bett fallen und schlief im nächsten Moment tief und fest.
    Am späten Nachmittag wachte sie mit knurrendem Magen auf. Doch als sie den Speisesaal betrat, erntete sie nur finstere Blicke und bekam einen Teller mit einigen schlaffen grünen Blättern in die Hand gedrückt. Wütend kehrte sie in ihr Zimmer zurück. Sie steckte sich einige getrocknete Beeren in den Mund und setzte sich kauend ans Fenster.
    Ich hätte im Haus der Menschen bleiben sollen, dachte sie rebellisch. Es würde den Feen recht geschehen, wenn ich die Eiche jetzt verließe. Nicht einmal einen auf der Straße überfahrenen Igel bekämen sie dann noch.
    Sie beendete ihr kärgliches Abendessen, breitete ihre Notizen auf dem Tisch aus und begann sie zu lesen, doch es war unmöglich. Im Fieber der vergangenen Nacht hatte sie sie noch verstanden, jetzt konnte sie kaum noch ihre Handschrift entziffern, geschweige denn sich erinnern, was die vielen hastigen Abkürzungen bedeuteten.
    Seufzend nahm sie sich ein leeres Blatt und ließ den Kohlestift planlos darüber wandern. Es hatte keinen Zweck, sich über Malve aufzuregen. Wenn Baldriana recht hatte, konnte sie Malve sowieso nicht ändern. Aber sie konnte ihr wenigstens zeigen, dass sie ihre Pflicht nicht vergessen hatte.
    Sie entspannte ihre Hand, und ihre Finger bewegten sich wie von selbst über das Blatt und zeichneten schwarze Linien. Sie würde morgen in aller Früh vor den anderen aufstehen und jagen, bis sie eine ansehnliche Beute erlegt hatte. Mit etwas Glück würde ihr das gelingen. Sie brauchte dazu nur einen großen …
    Sie hielt inne und starrte erstaunt auf das Blatt. Die scheinbar willkürlich hingekritzelten Striche ergaben eine

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