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Rebellin unter Feen

Titel: Rebellin unter Feen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. J. Anderson
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Heide hatte sich monatelang mit allen erdenklichen Aspekten des menschlichen Lebens befasst. Sie hatte offen die Mühen beschrieben, unter denen sie sich auf das Leben als Mensch vorbereitete, und wie wichtig ihr ein Erfolg war. Doch trotz der peniblen Vorbereitungen hatte sie weder erklärt, was sie dort im Auftrag der Königin tun sollte, noch warum es so wichtig war.
    Andererseits erweckte sie auch nicht den Eindruck, als wollte sie absichtlich etwas verschweigen. Sie ging offenbar davon aus, dass ihre Leserinnen es wussten und sie es ihnen nicht zu sagen brauchte. Klinge klappte das Buch zu, stützte nachdenklich das Kinn in die Hand und versuchte, sich an das Gelesene zu erinnern. Konnte eine Passage ihr Aufschluss darüber geben, warum Heide die Eiche verlassen musste?
    Jasmins Worte fielen ihr ein: Du beherrschst schon ein Handwerk und brauchst kein zweites zu erlernen …
    Heide sollte bei den Menschen also ein neues Handwerk erlernen, eine Fertigkeit, die sie in der Eiche nicht lernen konnte.
    Wie elektrisiert sammelte Klinge ihre Notizen ein und blätterte sie noch einmal durch. Vielleicht hatte das Eichenvolk seine schöpferischen Fähigkeiten gar nicht verloren, wie sie angenommen hatte. Vielleicht waren die Feen selber überhaupt nicht kreativ, und alle ihre schöpferischen Fähigkeiten waren von der Welt der Menschen inspiriert, der »Außenwelt«, wie die Feen sie nannten.
    Natürlich! Klinge hatte den erstaunlichen Einfallsreichtum der Menschen ja selbst erlebt. Die Menschen schienen ständig in Bewegung, entdeckten ständig etwas Neues – ganz im Gegensatz zur Eichenwelt, in der alles dasselbe blieb oder sich sogar, wenn die Feen nicht aufpassten, zurückentwickelte. Bestimmt brauchte es deshalb Feen wie Heide, die bereit waren, nach draußen zu gehen, um von den Menschen neue Ideen aufzunehmen und Fertigkeiten zu lernen und damit zur Eiche zurückzukehren.
    Doch diese Theorie erklärte nicht alles, dachte Klinge, und ihre Begeisterung schwand wieder. Warum hatte Heide geschrieben, ihr Auftrag könnte Jahre dauern? Warum hatte Jasmins Rückkehr in die Eiche einen solchen Skandal verursacht, obwohl sie in der Zeit ihrer Abwesenheit doch zeichnen gelernt hatte und ihr Wissen auch bereitwillig mit den anderen teilte?
    Ich muss die restlichen Tagebücher Heides finden, dachte Klinge. Sie schob das Tagebuch unter ihre Matratze und legte sich hin. Aber wo soll ich mit der Suche anfangen, wenn ich nicht einmal weiß, wer mir den ersten Band gegeben hat?
     
    »Aufwachen, Faulpelz.« Malve schlug mit der Faust gegen Klinges Tür. »Hörst du mich? Steh sofort auf!«
    Klinge drehte sich ächzend um. Das Morgenlicht traf ihr Gesicht, und sie kniff die Augen zusammen. Wie lange hatte sie geschlafen? Ihrem Gefühl nach auf keinen Fall lange genug. »Ich komme ja schon«, murmelte sie. Benommen stand sie auf.
    Malve wartete auf dem Treppenabsatz vor ihrer Tür mit verschränkten Armen und gespreizten Beinen. »Weißt du eigentlich, wie spät es ist? Während du hier auf der faulen Haut liegst, sind wir am Verhungern – und du bald auch, wenn du nicht runterkommst und deine Arbeit tust!«
    »Runter?« Klinge betrachtete sie verwirrt. »Wozu?«
    »Um auf die Sammlerinnen aufzupassen natürlich! Nach Lindes Unfall setzen sie ohne dich keinen Fuß mehr vor die Eiche. Sie warten schon seit dem Morgengrauen. Beeil dich also, sonst melde ich dich Ihrer Majestät!«
    Damit begann ein langer, beschwerlicher Tag. Klinge war müde, und ihre geschwächten Flügel machten sie noch langsamer, wie sie bald feststellte. Die Sammlerinnen über die Wiese zu geleiten kostete sie ihre ganze Kraft. Kaum waren sie am Waldrand angekommen, musste sie sich setzen. Nach einer Weile hatte sie sich wieder soweit erholt, dass sie auf die Jagd gehen konnte. Doch ihre Hände, mit denen sie den Bogen hielt, zitterten und sie verschoss einige Pfeile, bis sie die einzige Beute des Vormittags erlegte – ein mageres junges Rotkehlchen.
    »Schöner Fang«, höhnte Malve, als Klinge den halb gerupften Vogel in die Küche brachte. »Und wie ich sehe, hast du deine kostbare Zeit auch nicht damit verschwendet, ihn auszunehmen. Am besten du nimmst jetzt dein schönes Messer zur Hand und beendest, was du angefangen hast, denn es ist ganz gewiss nicht meine Aufgabe, deine Arbeit für dich zu tun!«
    Klinge hatte nicht die Kraft, mit ihr zu streiten, und noch viel weniger Kraft, ihr zu gehorchen. Wortlos verließ sie die Küche. Im Unterschied zu Malve

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