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Rebellin unter Feen

Titel: Rebellin unter Feen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. J. Anderson
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sie. »›Der Lichtzauber kann zu jeder Zeit durchgeführt werden. Um jedoch eine dauerhafte Veränderung herbeizuführen, bedarf es großer Kraft. Durchgeführt wird der Zauber am besten bei Mondschein.‹«
    »Mondschein?«, wiederholte Winka. »Du meinst, die Königin musste für ihren Zauber deshalb mit Linde ins Freie? Aber das hieße ja …«
    »Dass sie eine dauerhafte Veränderung bewirken wollte«, sprach Klinge den Satz für sie zu Ende. »Die Frage ist nur, welche?« Und was bedeutet es für Linde, dass ich die Königin dabei unterbrochen habe?
    Winka breitete ihr Kleid über den Tisch und trat hastig neben Klinge. »Was steht noch in dem Buch?«
    »Es gibt zweierlei Arten von Zauber«, fuhr Klinge fort. »Den Lichtzauber, der leicht auszuführen ist, aber nicht lange anhält – er bewirkt Dinge wie Wachsen, Schrumpfen oder Unsichtbarwerden. Und zweitens den Tiefenzauber, für den man sich mehr anstrengen muss, der dafür aber auch dauerhaft hält. Mit ihm kann man etwa Holz in Metall oder eine Krähe in eine Maus verwandeln. Man kann damit sogar Wunden heilen und dergleichen. Will man den Tiefenzauber allerdings bei einer anderen Person anwenden, braucht man dazu deren Einverständnis.«
    »Warum?«, fragte Winka.
    »Keine Ahnung.« Klinge blätterte durch einige Seiten. »Vielleicht geht er so einfach leichter … Nein, jetzt hab ich’s.« Sie beugte sich über das Buch und fuhr mit dem Finger an den Absätzen entlang. »Wenn man den Tiefenzauber jemandem aufzwingt, wird daraus Schwarze Magie. Und die ist laut dem Buch …« Klinge machte eine Pause und las dann laut vor: »›… auf Anordnung der großen Gärtnerin verboten. Sie ist etwas Böses, von dem man am besten nicht spricht.‹«
    Winka seufzte leise. »Und du glaubst … die Königin wollte einen solchen Zauber über Linde aussprechen?«
    »Vielleicht. Vielleicht musste sie es tun, bevor Linde sich weigern kann.«
    »Aber das wäre ja schrecklich!« Winka richtete sich auf. »Nein, das glaube ich nicht. Die Königin ist manchmal kalt, zugegeben, aber sie ist nicht böse.«
    Klinge war schon versucht gewesen, Winka alles zu erzählen – von Heide und Jasmin und sogar von den Menschen. Doch als Winka die Königin in Schutz nahm, obwohl diese sich durch so vieles verdächtig gemacht hatte, kam sie zu dem Schluss, dass sie ihr nicht vertrauen durfte.
    »Du hast recht«, sagte sie deshalb. »Es muss eine andere Erklärung dafür geben.« Sie klappte das Buch zu und legte es zur Seite. »Die Feier beginnt bald. Brauchst du mich zum Anziehen?«
     
    Die Sonnwendfeier begann, und der Speisesaal war erfüllt vom Klirren der Gläser, mit denen angestoßen wurde. Dunkler Beerenwein spritzte auf die Tischtücher. Klinges Blick folgte Amaryllis, die durch den Mittelgang zu ihrem Platz schritt. Die Königin wirkte immer noch ein wenig blass. Doch sie hielt sich kerzengerade aufrecht und trug ihr aufwendig besticktes Kleid, als wiegees nichts – was wahrscheinlich sogar stimmte, denn es sah so neu aus, dass es sich nur um einen Lichtzauber handeln konnte.
    Klinge stand am Kopfende ihres Tisches, schnitt den Hasenbraten auf und reichte Platten an die am Tisch sitzenden Feen weiter. Besteck und Teller klapperten, und Hände streckten sich nach mit Wurzeln, Nüssen und Beeren gefüllten Schüsseln aus.
    »Soll ich Linde halten, während du isst?«, fragte Winka, die neben Klinge saß.
    »Nein, ich nehme sie.« Klinge legte das Tranchiermesser weg und setzte sich. »Ich habe sowieso keinen Hunger.«
    Winka reichte ihr Linde, und Klinge nahm sie auf den Schoß. Sie hatte sich inzwischen an das Baby gewöhnt und hielt es gern in den Armen. Feen berührten einander nur selten und die Arglosigkeit, mit der das kleine Wesen sich an sie kuschelte, hatte etwas Tröstliches. Linde hatte noch nicht gelernt, zu handeln und das Beste für sich herauszuschlagen, und ihre Wünsche waren leicht zu befriedigen. Wahrscheinlich machte sie das zum unschuldigsten Bewohner der Eiche, dachte Klinge ein wenig bitter.
    Wie zum Beweis dieser Vermutung schaufelten die Feen an ihrem Tisch sich das Essen gierig in den Mund. Hin und wieder machten sie kurz Pause und strichen über das bestickte Tischtuch oder bewunderten das Fackellicht, das sich in dem silbernen Besteck spiegelte. Für die schönen Kleider der anderen hatten sie dagegen kein Auge, nur für ihre eigenen. Sie unterhielten sich auch nicht und machten den Mund nur auf, wenn sie noch etwas zu essen oder trinken wollten.

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