Rebellin unter Feen
nach der anderen, bis das Baby fast nackt dalag. Linde jammerte kläglich, als sie den kalten Wind spürte, und Klinge wäre ihr am liebsten zu Hilfe geeilt – doch sie zwang sich, stumm in ihrem Versteck zu warten.
Die Königin streckte ihre weißen Hände aus und legte Linde eine auf die Stirn, die andere auf den Bauch. Bewegungslos und mit gesenktem Kopf verharrte sie in dieser Haltung, während das Kind auf dem kalten Boden schluchzte und zappelte. Wieder wollte Klinge empört aufspringen, da begannen die Hände der Königin plötzlich zu leuchten. Licht strahlte wellenförmig von den Fingern aus wie vom Mond beschienenes Wasser und hüllte das Baby in einen schimmernden Kokon ein. Aus Lindes Gewimmer wurde ein zufriedenes Glucksen. Klinge entspannte sich wieder.Offenbar segnete oder schützte die Königin das Kind durch einen Zauber. Jedenfalls schien sie ihm dadurch nicht zu schaden.
Da ballte Amaryllis plötzlich die Fäuste. Der magische Kokon zog sich zusammen, und Linde begann zu schreien.
Nun hielt Klinge nichts mehr in ihrem Versteck. Sie sprang heraus, rannte über die Wiese, stieß die Königin zur Seite und riss Linde vom Boden. Einen kurzen Augenblick lang spürte sie im Bauch rasende Schmerzen, doch bevor die Schmerzen übermächtig werden konnten, waren sie schon wieder vorbei. Die Lichtblase platzte, und aus Lindes Geschrei wurde Schluchzen. Klinge drückte sie an sich und wickelte sie in ihren Mantel.
»Aufhören!«, schrie sie. Vor Wut und Schreck vergaß sie jede Höflichkeit. »Das tut ihr doch weh!«
»Ich muss den Zauber beenden!« Die Königin war hastig aufgestanden und streckte die Hände aus. »Gib sie mir schnell wieder, bevor …«
Klinge drückte Linde noch fester an sich und machte einen Schritt zurück. »Lasst sie in Frieden!«
»Dummes Ding«, fauchte Amaryllis, »du hast doch keine Ahnung …« Sie brach ab und starrte über Klinges Schulter.
Klinge drehte sich um. Ein Fuchs war aus dem Schatten getreten und trabte mit vor Hunger heraushängender Zunge über die Wiese auf sie zu. Klinges Mund war auf einmal wie ausgetrocknet.
»Du hast ihn nicht bemerkt?«, fragte die Königin leise.
»Er kommt gegen den Wind«, antwortete Klinge kurz, ohne den Fuchs aus den Augen zu lassen. »Deshalb hat er ja uns gerochen.«
»Können wir ihm zu Fuß entkommen?«
»Nie im Leben.«
Amaryllis riss ihren Mantel herunter, warf ihn auf den Boden und sprang mit ausgebreiteten Flügeln hoch. Eine Bö erfasste sie,wirbelte sie wie ein vertrocknetes Blatt durch die Luft und schleuderte sie wieder auf den Boden.
»Das hat keinen Zweck, es ist zu windig«, rief Klinge ihr zu. »Selbst wenn wir uns in der Luft halten könnten, kämen wir doch nicht vom Fleck!«
Der Fuchs näherte sich. Aus seinem Mund quoll eine Dampfwolke. Klinge wich zurück, schlüpfte im Gehen aus ihrem Mantel und wickelte Linde darin ein. »Nehmt das Baby!«, rief sie und drückte Linde Amaryllis in die Hände, die sich wieder aufgerappelt hatte. »Kehrt zur Eiche zurück!«
Die Königin nahm das Kind und legte es auf den vereisten Boden. »Nicht ohne dich«, erwiderte sie.
»Geht!«, schrie Klinge und fuchtelte mit den Armen, um den Fuchs auf sich aufmerksam zu machen und von Amaryllis und dem Kind abzulenken. »Flieht, solange Ihr noch könnt!«
»Und was wird aus dir?«, rief die Königin. »Willst du sterben?«
Klinge zog ihr Messer. Der Fuchs sprang, und sie duckte sich vor seinem zuschnappenden Maul zur Seite. »Nicht, wenn ich es verhindern kann«, keuchte sie. »Aber ich habe keine Zeit zu streiten – geht!«
»Ich habe zu viele Angehörige meines Volkes sterben sehen«, rief die Königin grimmig. »Zur Seite, Klinge!«
Klinge hörte sie nicht, ihre ganze Aufmerksamkeit galt dem sie umkreisenden Fuchs. Der Wind pfiff eisig durch ihr Hemd und stach ihre Haut wie mit Nadeln. Ihre Muskeln waren schon jetzt steifgefroren, und sie wusste, dass sie dem Fuchs nicht mehr lange ausweichen konnte. Vielleicht konnte sie ihn noch einige Augenblicke ablenken …
»Zur Seite, habe ich gesagt!«, donnerte Amaryllis. Eine unsichtbare Hand packte Klinge und warf sie ins Gras. Die Flügel der Königin begannen hell zu leuchten. Sie hob beide Hände mitden Handflächen nach außen und richtete einen grellen Lichtstrahl auf den Fuchs.
Der Fuchs wich winselnd zurück, warf den Kopf hoch und scharrte mit den Pfoten im Schnee. »Weiche!«, befahl die Königin mit weithin vernehmbarer Stimme. Der Fuchs machte hastig
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