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Rebellin unter Feen

Titel: Rebellin unter Feen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. J. Anderson
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kehrt.
    Amaryllis sah ihm hoch aufgerichtet nach, wie er sich durch die Hecke zwängte und in der Dunkelheit dahinter verschwand. Dann wandte sie sich – kreidebleich im Gesicht – Klinge zu und brach zusammen.
    Klinge rannte zu ihr und fiel auf die Knie. Sie rieb Lindes Gesicht, bis das Baby jammernd protestierte, klemmte sich Linde in die Armbeuge und streckte die Hand nach Amaryllis aus. »Aufwachen, Majestät!«, bettelte sie. Doch die Königin rührte sich nicht.
    Entschlossen packte sie Amaryllis um die Hüften und zog sie zur Hecke. Doch ihre Beine fühlten sich an wie aus Stein und jeder Atemzug kostete sie Mühe. Eine merkwürdige Wärme umfing sie, und sie war versucht, sich hinzulegen. Der Boden sah so weich aus, so einladend …
    Keuchend und mit silbernen Atemwolken vor dem Mund schleppte Klinge ihre doppelte Last über das Gras. Ihre Muskeln brannten, und ihre Hose war steifgefroren. Die Hände spürte sie nicht mehr. Verbissen machte sie einen Schritt nach dem anderen, bis sie mit dem Fuß an etwas Warmes stieß. Sie stürzte und hätte fast Linde unter sich begraben. Mühsam rappelte sie sich auf und sah Amaryllis neben sich auf dem Boden liegen. Sie hatte die Königin fallen lassen, ohne es zu merken. Erschöpft bückte sie sich, legte sich Amaryllis’ Arm um die Schultern und zerrte sie noch ein paar Schritte weiter in den undurchdringlichen Schatten der Hecke.
    Gebückt schlüpfte sie in den Geheimgang und begann, um Hilfe zu rufen. Linde und Amaryllis hingen wie bleierne Gewichte an ihr. Sie rief, bis sie heiser war, doch niemand antwortete ihr. Sie wollte die Hoffnung schon aufgeben, da sah sie am anderen Ende des Gangs einen Lichtschein. Eine untersetzte Gestalt eilte mit einer Laterne in der Hand auf sie zu.
    »Dorna«, krächzte Klinge. »Nimm mir Linde ab, schnell. Und die Königin …« Ihre Knie gaben unter ihr nach, der Boden kam ihr entgegen und sie verlor das Bewusstsein.

 
    VIERZEHN
     
    »Wach doch auf, Klinge, bitte …«
    Klinge öffnete die Augen einen Spalt und sah einen weißen Fleck über sich, aus dem nach und nach Winkas Gesicht wurde.
    »Die große Gärtnerin ist uns gnädig«, flüsterte Winka. »Trink das.« Sie flößte Klinge eine Flüssigkeit ein.
    Klinge musste husten, zwang sich aber zu schlucken. Sengend heiß rann die Medizin ihr die Kehle hinunter. »Was hat Baldriana denn da rein getan? Kiefernnadeln und Fischöl?«
    »Wahrscheinlich«, sagte Winka. Es klang wie eine Mischung aus Lachen und Weinen. »Ach, Klinge, ich bin so froh, dass du wieder bei Bewusstsein bist. Ich fürchtete einen Augenblick lang schon …«
    »Wo ist Linde?« Klinge fuhr hoch. »Und die Königin?«
    »Die schlafen beide. Laut Baldriana haben sie sich bald wieder erholt … Leg dich hin, Klinge, du machst mich nervös.«
    Sie schüttelte das Kopfkissen auf, und Klinge legte sich widerstrebend wieder hin. Winka deckte sie bis zu den Schultern zu.
    Klinge sah sie an. »Du weiß aber schon, dass du nicht mehr meine Mutter bist?«
    Sie hatte es als Scherz gemeint, doch Winka wurde auf einmal ganz traurig. »Niemand hat mich je gefragt, ob ich bereit sei, dich abzugeben. Als ich eines Tages aufwachte, hatte man dich mir einfachweggenommen, ohne dass ich mich dagegen wehren konnte. Deshalb … nein.« Sie hob den Kopf. Ihre Augen hatten sich mit Tränen gefüllt. »Ich konnte mich nie daran gewöhnen, nicht mehr deine Mutter zu sein.«
    Klinge war, als hätte ihr ein dicker Ast in den Bauch geschlagen. »Das wusste ich nicht«, sagte sie kleinlaut.
    Winka zog die Nase hoch. »Ich mache dir auch keine Vorwürfe. Du warst noch ein Kind. Du hast wahrscheinlich geglaubt, dass du bestraft werden solltest.«
    Das stimmte zwar, aber Klinge hatte auch geglaubt, Winka würde froh sein, sie los zu haben. Nie wäre es ihr in den Sinn gekommen, dass Winka sie vermissen könnte – warum auch, wenn Klinge ihr doch nichts als Scherereien gemacht hatte?
    Winka zog ein Taschentuch heraus. »Aber das ist jetzt nicht wichtig«, sagte sie und schnäuzte sich. »Viel mehr interessiert mich, was ihr drei überhaupt da draußen zu suchen hattet.«
    »Das weiß ich selbst nicht so genau«, antwortete Klinge nachdenklich. »Die Königin brachte Linde nach draußen ins Mondlicht und begann mit einer Art Zauber. Ich konnte sie unterbrechen, aber …«
    Winka starrte sie fassungslos an. »Du hast die Königin unterbrochen?«
    »Sie tat Linde weh. Was hätte ich sonst tun sollen?«
    »Nein«, stöhnte Winka unglücklich.

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