Rebellin unter Feen
wahrgenommen hatte. Ihr Herz begann zu klopfen, als sei er ein großartiges Kunstwerk, das die große Gärtnerin eigens für sie geschaffen hatte. Ihr Mensch Paul. Ihr Freund.
Eifrig hob sie die Faust und klopfte an die Scheibe.
Paul ließ die Hantel fallen, griff hastig nach einem Hemd auf der Kommode, zog es an und rollte durch das Zimmer zum Fenster. Er machte es auf, und Klinge betrat seine ausgestreckten Handteller.
»Du hast meine Botschaft also gelesen«, sagte er lächelnd.
Klinge nickte. »Und ich war so froh, dass ich nicht mehr warten konnte. Wir können also fahren? Schon bald?«
»Von mir aus ja. Ich wusste zuerst nicht, ob wir da überhaupt reinkommen, aber dann habe ich dieses Waverley Hall in einem Führer entdeckt und herausgefunden, dass man es besichtigen kann. Das wäre also kein Problem. Nur das Tagebuch klauen, also …«
»Das ist doch nicht klauen«, protestierte Klinge. »Für andere hat es keinen Wert, und vermissen kann es auch niemand, wenn es doch versteckt ist.«
»Höchstens wenn man uns dabei erwischt«, meinte Paul. Er klang ernst, aber in seine Augen war ein Funkeln getreten. Offenbar freute er sich auf das Abenteuer. Auch Klinge wurde plötzlich ganz aufgeregt.
»Die erwischen uns nicht«, erwiderte sie selbstbewusst. »Wann fahren wir?«
Hochzufrieden kehrte Klinge zur Eiche zurück. Alles schien perfekt zu klappen. Paul durfte das Auto seiner Eltern benutzen, er hatte sich erkundigt, ob Waverly Hall geöffnet war und sie es besichtigen konnten, und wenn nichts Unvorhergesehenes dazwischenkam, konnten sie schon morgen aufbrechen.
Morgen! Klinge konnte sich noch gar nicht vorstellen, mit Paul in das seltsame metallene Gefährt zu steigen und an einen Ort zu fahren, den sie noch nie besucht hatte und der so weit entfernt war, dass sie ihn nicht einmal von der Spitze der Eiche aus sehen konnte. Für Paul war die Fahrt nichts Besonderes und dauerte nicht einmal besonders lange. Für Klinge war sie ein aufregendes Abenteuer und geradezu eine Weltreise.
Sie hatte ihren mit Fleisch vollgepackten Ranzen gerade in den Kühlraum geschleppt und wollte ihn leeren, da hörte sie draußen auf dem Gang einen dumpfen Schlag, gefolgt von einem unterdrückten Fluch. Die Stimme klang wie … Pechnelke? Stirnrunzelnd streckte sie den Kopf durch die Tür. Draußen stand tatsächlich die Bibliothekarin. Sie hatte die Arme voller Bücher und ein Buch war gerade auf den Boden gefallen.
»Ich hebe es auf«, sagte Klinge und bückte sich danach. Der Buchrücken war auseinandergebrochen, und die Seiten fielen auseinander.
»Du hast es kaputt gemacht!«, schrie Pechnelke. Sie ließ die restlichen Bücher fallen und stürzte sich auf Klinge, die kaumZeit hatte, die Hände zu heben, bevor Pechnelke schon auf sie einschlug. Sie gingen zu Boden. Klinge konnte sich Pechnelke nur mit Mühe vom Leib halten. Pechnelke hatte die Finger wie Krallen ausgestreckt und schien entschlossen, Klinge die Augen auszukratzen.
»Ich wollte dir doch nur helfen!«, rief Klinge. »Ich wollte doch nicht … Hör auf, Pechnelke!«
»Ich weiß genau, was du willst! Du willst sie alle kaputt machen, damit ich nichts mehr habe!«
»Wovon redest du?«, keuchte Klinge und hielt Pechnelke an den Handgelenken fest. Die Seiten des Buches waren über den ganzen Boden verstreut. Hatte Pechnelke etwa noch mehr Bücher über Menschen gefunden? Doch nein, bei dem auseinandergebrochenen Buch handelte es sich um einen Kräuterführer, und die anderen Bücher sahen auch ganz gewöhnlich aus.
»Ich bringe sie weg«, fauchte Pechnelke. »An einen sicheren Ort, an dem du sie nicht findest. Und sie auch nicht.«
»Niemand will dir deine Bücher wegnehmen, Pechnelke! Wenn ich es doch sage.«
Pechnelke hörte auf, sich zu wehren, und starrte Klinge verwirrt an. Doch dann verzerrte sie wieder das Gesicht. »Du willst mich bloß reinlegen«, kreischte sie und warf sich mit ihrem Gewicht gegen Klinge.
Zuerst wird man reizbar, hörte Klinge in Gedanken Dornas Stimme sagen. Manchmal sogar gewalttätig …
Ein Schauer durchlief sie, und sie wich unwillkürlich zurück. »Nein«, flüsterte sie, »bitte nicht.«
Die Küchentür wurde aufgerissen, und Malve marschierte heraus. »Wie führt ihr euch denn auf!«, rief sie. »Ihr balgt euch ja wie zwei Katzen. Was würde Ihre Majestät sagen, wenn sie das sehen könnte?«
»Ruf Baldriana«, keuchte Klinge und versuchte, die rasende Pechnelke zu bändigen. »Hol die Heilerin,
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