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Rebellin unter Feen

Titel: Rebellin unter Feen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. J. Anderson
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Gärtnerin steh mir bei! Hoffentlich durchschaut die Königin mich nicht mit ihrem Hellseherblick, und hoffentlich bin ich keine so schlechte Lügnerin, wie Paul behauptet. Laut sagte sie: »Als ich letzten Sommer zwei Tage weg war, kam ich an einen Ort, der mich an eine Feenwelt erinnerte. Ich sah zwar keine Feen,bekam aber den Eindruck, dass ich vielleicht welche finde, wenn ich mich dort ein wenig umsehe. Zumindest könnte ich einen Hinweis darauf entdecken, wo sie sich inzwischen aufhalten.«
    Amaryllis öffnete den Mund, sagte aber nichts. Das Schweigen dauerte immer länger. Klinge wäre am liebsten aufgesprungen und hinausgerannt. Hatte die Königin sie durchschaut?
    »Es ist schon lange mein sehnlicher Wunsch, einen Boten auf die Suche nach anderen Feenwelten zu schicken«, sagte Amaryllis endlich. »Doch es gab in den vergangenen hundert Jahren niemanden, der für eine solche Aufgabe geeignet oder überhaupt dazu bereit gewesen wäre. Dass du mir deine Dienste jetzt freiwillig anträgst und auch noch deinen Wunsch dafür opfern willst, ist mehr, als ich zu hoffen wagte.«
    Sie sprach leise, ganz ohne ihren sonstigen herrischen Ton, und Klinge spürte ein schuldbewusstes Kneifen im Magen. »Es ist für mich kein Opfer, und ich freue mich, wenn ich helfen kann«, sagte sie. Auch wenn sie Heides zweites Tagebuch suchte, konnte sie unterwegs ja trotzdem die Augen nach einer anderen Feenwelt offen halten. Und später konnte sie immer noch eine genauere Suche anschließen.
    »Dann erfülle ich dir deine Bitte sehr gern«, sagte die Königin, und Klinge sah sie zum ersten Mal lächeln. »Du brauchst allerdings nicht den Wunsch, den du zur Wintersonnenwende bekommen hast, dafür zu verwenden. Spare ihn dir auf, bis dir etwas einfällt, das du dir für dich allein wünschst. Was immer es ist, ich verspreche, es wird dir erfüllt werden.«
    »Habt Ihr keine Angst, ich könnte um das halbe Königreich bitten?«, fragte Klinge verwirrt.
    »Ich weiß, dass du das gar nicht willst. Was ich auch gut verstehe, denn eine solche Last wünsche ich niemandem.« Sie lächelte wieder, diesmal ein wenig angespannt. »Geh jetzt. Kommwieder, wenn du reisefertig bist – oder wenn du weißt, was du dir wirklich wünschst.«
    »Das werde ich«, versprach Klinge.
    Auf dem Weg nach unten gingen ihr die Worte der Königin unablässig durch den Kopf: Was du dir auch wünschst, ich verspreche, es wird dir erfüllt werden. Wie ernst hatte die Königin das gemeint? Amaryllis machte eigentlich keine Versprechungen, die sie nicht zu halten gedachte. Allerdings wusste sie auch nicht, dass ihre Jägerin im Begriff war, sie zu hintergehen.
    Oder wusste sie es doch?
     
    Wenig später lockerte sich der eisige Griff, mit dem der Winter die Eichenwelt gefangen hielt. Das Eis schmolz, der Regen erweckte die gefrorene Erde zu neuem Leben. Am Fuß der Eiche schossen leuchtend bunte Krokusse aus dem Boden, und frisches Grün sprenkelte den Rasen.
    Für Klinge kündigte sich der Frühling in diesem Jahr allerdings durch ein ganz anderes Zeichen an – den gelben Zettel, der an Paul McCormicks Zimmerfenster klebte und auf dem in dicken Buchstaben stand:
     
    ICH HABE BESTANDEN!
     
    Klinge kehrte gerade von der morgendlichen Jagd zurück, als sie den Zettel sah. Sie wusste, dass sie mit der Antwort am besten bis zum Einbruch der Nacht wartete – aber bis dahin waren es noch viele Stunden. Ob sie gleich jetzt einen Besuch wagen sollte? Sie warf einen verstohlenen Blick in Richtung Eiche, schob ihren Ranzen unter die Hecke und kehrte um die Vorderseite des Hauses herum zurück.
    Paul war noch in seinem Zimmer, wie sie gehofft hatte. DieVorhänge waren geöffnet, und die Sonne fiel schräg ins Zimmer und ließ den Staub tanzen. In ihrem goldenen Licht saß Paul halb angezogen und mit noch ungekämmten Haaren in seinem Rollstuhl und stemmte Gewichte.
    Mit einer Hand hielt er eine schwere Hantel, mit der anderen das Rad des Rollstuhls. Er hob die geballte Faust und bewegte sie auf seine Schulter zu, und die sehnigen Muskeln an seinem Arm traten vor. Die Haare klebten ihm feucht in der Stirn, und Schweißperlen liefen seinen Rücken hinunter. Hilflos hatte die Königin ihn genannt, doch als Klinge ihn jetzt sah, kam er ihr ganz stark vor.
    Sie hatte ihn in den vergangenen Wochen mehr vermisst denn je und sein Gesicht unzählige Male im Traum gesehen. Doch erst jetzt fiel ihr plötzlich auf, wie schön er war, auf eine Art, die sie bisher noch gar nicht

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