Rebellion des Herzens
Mist. Er hatte noch nie versucht, sich mit einer weinenden Frau zu beschäftigen, und er wollte auch jetzt nicht damit anfangen. Eine verdammte Träne nur, und er würde verschwinden.
»Ist er …?«
Sie brachte es nicht über sich, zu sagen – tot.
»Nein!« Angel überschlug sich fast, um ihr diese Antwort zu geben. »Der Doc sagt, Pickens wird es überleben, aber er kann eine ganze Weile nicht herumreisen, und darum hat er seine Freundin zu mir geschickt.«
Das verscheuchte den tränenfeuchten Blick aus Cassies Augen. Sie runzelte die Stirn. »Ich verstehe nicht. Das muß vor ungefähr sechs Wochen gewesen sein. Warum hat er mir nicht schon eher Nachricht gegeben, daß er nicht kommen kann? Jetzt ist es beinahe zu spät.«
Angel konnte ebenso bereitwillig eine Schuld auf sich nehmen wie sie. »Das ist wohl mein Fehler. Pickens hat mich ohne große Schwierigkeiten aufgespürt, aber ich bin in New Mexico ein paar Wochen aufgehalten worden. Schließlich stand in seiner Nachricht nichts von Eile.«
»Ich verstehe.« Das tat sie aber nicht. Sie sah höllisch verwirrt aus. »Überbringer schlechter Nachrichten sind selten gern gesehen, aber ich möchte mich trotzdem bei Ihnen bedanken, daß Sie persönlich hergekommen sind, wo doch ein Telegramm vollauf genügt hätte. Und es tut mir leid wegen Ihres Pferdes. Sie können sich eines von unseren borgen, um es zu suchen. Bringen Sie unseres einfach zurück, wenn Sie es nicht mehr brauchen.« Sie griff in eine der weiten Taschen ihres Mantels und zog ein Zwanzig-Dollar-Goldstück daraus hervor. »Und damit können Sie sich gewiß einen neuen Hut kaufen.«
Angel konnte die Hand, die sie ihm entgegenstreckte, nur anstarren, womit er sie zwang zu sagen: »Nehmen Sie es.« Als er es immer noch nicht tat, zuckte sie mit den Schultern und schloß ihre Faust um die Münze. »Wie Sie wollen, aber wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen würden … Ich war gerade auf dem Weg in die Stadt, als Sie ankamen.«
Jetzt drehte sie sich doch tatsächlich um und ging einfach weg. Angel ließ sie fast bis zu ihrer Kutsche kommen, bevor er mit gedehnter Stimme feststellte: »Ich hätte mich wohl deutlicher ausdrücken müssen, Ma'am. Lewis Pickens hat mich an seiner Stelle hergeschickt. Ich bin hier, um Ihr Problem zu lösen, was immer das auch sein mag. Also sollten Sie mir vielleicht etwas darüber erzählen, bevor Sie sich auf den Weg in die Stadt machen.«
Bei den Worten »an seiner Stelle« wirbelte sie herum. In ihren Augen stand ein ungläubiger Ausdruck, aber als er mit seiner kleinen Ansprache fertig war, zeigte sie wieder ihre alte Streitlust. »Wie bitte?«
»Sie haben klar und deutlich gehört, was ich gesagt habe.«
»Ich weiß, daß ich Sie gehört habe«, stieß sie mit zusammengebissenen Zähnen hervor und bot dabei in jeder Hinsicht das Bild einer Frau, die drauf und dran war, ihre Fassung zu verlieren. »Ich kann es nur einfach nicht glauben. Was hat sich Mr. Pickens nur dabei gedacht, Sie herzuschicken, ausgerechnet Sie? Ich brauche einen Friedenstifter, keinen Revolverhelden. Sie würden die Situation nur noch schlimmer machen.«
»Was genau ist eigentlich die Situation?«
Sie winkte ungeduldig ab. »Es hat keinen Sinn, mit Ihnen darüber zu diskutieren, da Sie mir ja doch nicht helfen können. Wenn ein Schießeisen die Antwort wäre, würde ich mein eigenes benutzen.«
Er konnte nichts dagegen tun, mußte ganz einfach über das Bild grinsen, das ihre Worte heraufbeschworen – ein Bild von durch die Luft fliegenden Hüten. Aber er wandte sich ab, bevor sie es bemerken konnte. Es gab nur sehr wenige Menschen, die er nahe genug an sich heranließ, um seinen Sinn für Humor zu entdecken. Sie würde nicht dazugehören.
»Gibt es hier eine Schlafbaracke?«
»Ja, aber – einen Augenblick mal!« rief sie, als er Anstalten machte, um das Haus herumzugehen. »Sie können nicht hierbleiben. Haben Sie denn nicht zugehört?«
Er blieb gerade lange genug stehen, um zu sagen: »Ich schon, aber Sie nicht. Ich bin hier, um mich um Ihr Problem zu kümmern und um Pickens einen Gefallen zu tun.
Ich stehe in seiner Schuld, und daher werde ich erst dann gehen, wenn meine Schulden beglichen sind.«
Sie eilte hinter ihm her und holte ihn ein, als er gerade auf der anderen Seite des Hauses angekommen war. »Was auch immer Sie Pickens schulden mögen, hat nichts mit mir zu tun, Mister.«
»Jetzt schon.«
»Das ist völlig undenkbar. Ich werde es nur noch einmal wiederholen.
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