Rebellische Herzen
hinaus.
»Was sollte das alles?«, fragte er.
Sie setzte zu einer Erklärung an, aber nach einem Blick auf Wynters Gesichtsausdruck überlegte sie es sich anders. »Das spielt jetzt keine Rolle. Eine alte Geschichte, wenn man so will.
Was mich angeht, haben Sie mich sehr glücklich gemacht, Lord Ruskin. Dass diese versnobte, hochnäsige Charlotte Dalrumple wieder in den North Downs ist, entzückt mich fast noch mehr, als Sie in Ihren Fängen zu wissen.«
Wynters Verstand raste. Lady Howard hatte ihn mit ihren Andeutungen über Charlottes Vergangenheit äußerst effektiv abgelenkt. »Wieder in den North Downs?«
»Die Dalrumples sind seit langem in Surrey zu Hause.« Sie hakte sich mit so viel Nachdruck bei ihm unter, dass sich ihm ihr Busen an den Arm presste. »Aber erzählen Sie mir doch bitte, was der Earl of Porterbridge getan hat, als dieser undankbare Fratz nach all den Jahren plötzlich wieder auftauchte?«
Wynter, der nun wirklich neugierig geworden war, steuerte Lady Howard in ein leeres Lesezimmer. »Was hätte er denn, Ihrer Meinung nach, tun sollen?«
»Vielleicht … sie mit Missachtung bestrafen? Aber nein …« Sie schüttelte den Kopf. »Ihm fehlt ja jede Finesse. Vielleicht hat er sie geohrfeigt oder beschimpft.«
»Das dürfte sie kaum verdient haben.«
»Sie belieben zu scherzen, Lord Ruskin.« Sie schaute sich in der Bibliothek um. »Sie haben mich wohl kaum der Bücher wegen hergebracht. Und dass Sie mich verführen wollen, kann ich mir nicht vorstellen. Dazu sind Sie zu rechtschaffen. Also sind es wohl all die hübschen Geschichtchen über unsere liebe Lady Charlotte, die Sie reizen.« Sie streichelte ihm mit ihren manikürten Fingern über die Wange. »Und was bekomme ich dafür?«
Wynter hatte immer Wert darauf gelegt, gegen seine Gegner immer etwas in der Hand zu haben. »Sie spielen um einen hohen Einsatz«, sagte er und packte ihr Handgelenk.
Sie zog die gepuderten Wangen ein. »So?«
»Sie werden mir alles sagen, was Sie wissen, Mylady. Und ich verzichte im Gegenzug darauf, Ihre Schulden einzufordern.«
»Sie? Ich habe Ihnen nie einen Schuldschein ausgestellt!«
»Ich habe trotzdem welche.« Seine Augen blitzten kampfeslustig. »Ich habe sie für einen fairen Preis erworben und ich will eine angemessene Gegenleistung. Sie werden mir alles über Charlotte Dalrumple erzählen und zwar Jetzt.«
Kapitel 15
»Ich will aber noch mal hören, warum Sie Papa nicht heiraten können.« Charlotte sah Leilas ernstes Gesicht und unterdrückte einen Seufzer. Der Frühlingsregen prasselte nun schon den ganzen Vormittag lang gegen die Fenster des Schulzimmers. Lehrerin und Schüler hatten auf ihren üblichen Spaziergang verzichtet, und Robbie und Leila wirkten wie Kätzchen im Käfig.
»Adelige heiraten keine Gouvernanten«, sagte Charlotte.
»Aber Sie sind doch Lady Miss Charlotte. Sie sind doch adelig?«
»Ja, aber verarmt. Reiche Männer heiraten keine armen Frauen.«
»Aber wieso soll ein reicher Mann eine reiche Frau heiraten?«, warf Robbie ein. »Ein reicher Mann braucht doch gar kein Geld mehr.«
Die Kinder wollten die Ungerechtigkeiten des englischen Heiratsmarktes einfach nicht verstehen und je mehr Charlotte erklärte, desto weniger verstand sie selbst. »Die Menschen heiraten jemanden, der ihnen ähnelt. Genauso wie … Vögel zum Beispiel. Vögel heiraten Vögel und Pferde heiraten Pferde.«
»Pferde heiraten aber nicht«, sagte Leila verächtlich. »Sondern sie paaren sich.« Das schien sie auf eine Idee zu bringen, da sie Charlotte plötzlich abschätzend betrachtete.
Oh, nein. Dass das Kind überhaupt etwas von Paarung wusste, war schlimm genug. Aber was immer auch in Leilas scharfsinnigem, kleinen Kopf gerade vorgehen mochte, Charlotte war jetzt nicht in der Stimmung, sich damit auseinander zu setzen. Zu sehr beschäftigten sie die Ereignisse des vorletzten Abends. Sie und Wynter … miteinander allein … so nahe beisammen… all die leidenschaftlichen Küsse.
Diese Küsse. Süß und verrückt. Ihre Lippen, die sich sanft berührten, ihre Körper ineinander verschlungen …
Die Erinnerung hätte sie demütigen und verlegen machen müssen. Doch des Nachts, allein in ihrem Bett, war es nicht Verlegenheit, die sie nicht schlafen ließ. Es war dieses Ziehen im Unterleib, die Versuchung, Stellen ihres Körpers zu berühren, die sie jahrelang einfach ignoriert hatte. Und tagsüber? Charlotte hätte Angst vor einer fristlosen Kündigung haben müssen. Stattdessen
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