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Rebus - 09 - Die Sünden der Väter

Rebus - 09 - Die Sünden der Väter

Titel: Rebus - 09 - Die Sünden der Väter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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zurückzugehen. Sammy war ebenfalls auf dem Weg in ihr Büro; sie arbeitete mit ehemaligen Strafgefangenen. Er wollte sie hinfahren, aber sie hatte abgelehnt. Jetzt, wo es offiziell war, hatte sie versucht, ihm von ihrem Lebensgefährten zu erzählen, Ned Farlowe. Rebus hatte sich bemüht, ein interessiertes Gesicht zu machen, musste aber erkennen, dass er in Gedanken halb bei Joseph Lintz war - mit anderen Worten: das altbekannte Problem. Als man ihm den Lintz-Fall übertragen hatte, hieß es, er bringe dafür die besten Voraussetzungen mit; zum einen seine Dienstzeit bei der Army und zum anderen seine offensichtliche Schwäche für historische Fälle - womit Farmer Watson, Rebus' Chief Superintendent, auf Bible John angespielt hatte.
    »Bei allem Respekt, Sir«, hatte Rebus gesagt, »aber das klingt nach einem Haufen Bockmist. Zwei Gründe, mir die Sache aufs Auge zu drücken: Erstens würde sie niemand auch nur mit der Kneifzange anrühren; zweitens bin ich dadurch eine ganze Weile aus dem Verkehr gezogen.«
    »Ihre Aufgabe«, hatte der Farmer erwidert, fest entschlossen, sich von Rebus nicht aus der Fassung bringen zu lassen, »wird darin bestehen, das vorhandene Material zu sichten und festzustellen, ob irgendetwas davon beweiskräftig ist. Wenn Sie es für nützlich halten, können Sie Mr. Lintz vernehmen. Tun Sie, was immer Sie für notwendig halten, und wenn Sie glauben, Sie haben genug für eine Anklageerhebung gesammelt...«
    »Werd ich nicht. Das wissen Sie doch selbst.« Rebus seufzte. »Sir, das habe ich alles schon einmal erlebt. Das ist doch überhaupt der Grund, warum die Abteilung für Kriegsverbrechen aufgelöst wurde. Dieser Fall vor ein paar Jahren - ein Haufen Lärm um nix und wieder nix.« Er schüttelte den Kopf. »Wer will denn überhaupt, dass das alles wieder ausgegraben wird, abgesehen von den Zeitungen?«
    »Ich ziehe Sie vom Taystee-Fall ab. Den kann Bill Pryde übernehmen.« Damit stand fest: Lintz war Rebus' Baby.
    Angefangen hatte es mit einem Zeitungsartikel, mit Dokumenten, die einem Sonntagsblatt zugespielt worden waren. Die Dokumente waren vom Tel Aviver Holocaust-Untersuchungsamt gekommen. Die israelische Behörde hatte der Zeitung Informationen über einen gewissen Joseph Lintz geliefert, der angeblich seit Kriegsende unter falschem Namen still und ungestört in Schottland lebte und in Wirklichkeit ein gewisser Josef Linzstek sein sollte, ein gebürtiger Elsässer. Im Juni 1944 war Obersturmführer Linzstek mit der 3. Kompanie eines SS-Panzergrenadierregiments, das Teil der 2. SS-Panzerdivision war, in die französische Kleinstadt Villefranche d'Albarede im Departement Correze einmarschiert. Die 3. Kompanie hatte alle Einwohner der Stadt zusammengetrieben - Männer, Frauen und Kinder. Die Kranken hatte man aus ihren Betten geholt, die Alten aus ihren Sesseln gezerrt, die Säuglinge aus ihren Wiegen genommen.
    Ein junges Mädchen - aus Lothringen evakuiert - hatte beobachtet, wozu die Deutschen fähig waren. Sie hatte sich auf dem Dachboden ihres Hauses versteckt und alles durch eine kleine Dachluke mit angesehen. Alle wurden auf den Marktplatz getrieben. Das Mädchen sah, wie ihre Schulfreundinnen zu ihren Familien liefen. Sie selbst war an dem Tag nicht in der Schule gewesen: eine Racheninfektion. Sie fragte sich, ob jemand das den Deutschen verraten würde...
    Es entstand einige Unruhe, als der Bürgermeister und andere Honoratioren sich beim verantwortlichen Offizier beschwerten. Während Maschinenpistolen die Menge in Schach hielten, wurden diese Männer - darunter der Geistliche, der Rechtsanwalt und der Arzt - mit Gewehrkolben zusammengeschlagen. Dann wurden Seile hervorgeholt und über ein halbes Dutzend der Bäume geworfen, die den Platz säumten. Die Männer wurden wieder auf die Füße gestellt, ihre Köpfe durch die Schlingen gesteckt. Ein knapper Befehl, eine Hand hob und senkte sich, und Soldaten zogen an jedem Seil, bis sechs Männer an den Bäumen baumelten, sich wanden, hilflos mit den Beinen strampelten und ihre Bewegungen immer langsamer und langsamer wurden.
    Wie sich das Mädchen erinnerte, brauchten sie eine Ewigkeit, um zu sterben. Fassungsloses Schweigen auf dem Marktplatz, als wüsste jetzt der ganze Ort Bescheid, als hätte er begriffen, dass das keine bloße Ausweiskontrolle war. Weitere gebellte Befehle. Die Männer wurden von den Frauen und Kindern getrennt und zu Prudhommes Scheune abgeführt, alle übrigen in die Kirche getrieben. Der Platz leerte

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