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Rebus - 09 - Die Sünden der Väter

Rebus - 09 - Die Sünden der Väter

Titel: Rebus - 09 - Die Sünden der Väter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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sich auf eine Weise geschminkt, wie man das nur bei Models sieht, Sie trug ein kariertes Kostüm, dessen Rock bis knapp zum Knie reichte, und lange goldfarbene Ohrringe. Sie hatte schon ihren Aktenkoffer geöffnet und holte gerade einen Stoß Papiere heraus.
    »Die neusten Übersetzungen«, sagte sie.
    »Danke.«
    Rebus sah auf eine Notiz, die er sich gemacht hatte: »Reise nach Correze notwendig?« Na ja, der Farmer hatte schließlich gesagt, er habe völlig freie Hand. Er blickte wieder zu Kirstin Mede und fragte sich, ob das Budget wohl auch eine Reiseleiterin verkraften würde. Sie saß ihm gegenüber und rückte gerade eine Lesebrille mit halbmondförmigen Gläsern zurecht.
    »Kann ich Ihnen einen Kaffee holen?«, fragte er.
    »Ich bin heute ein bisschen in Eile. Ich wollte nur, dass Sie das hier sehen.« Sie legte zwei Blätter so auf seinen Schreibtisch herum, dass er sie lesen konnte. Das eine Blatt war die Fotokopie eines in Deutsch abgefassten, getippten Berichts, das andere ihre Übersetzung. Nach einem Blick auf den deutschen Text las er die Übersetzung.
    »- Der Beginn der Vergeltungsmaßnahmen hat ein merkbares Aufatmen hervorgerufen und die Stimmung sehr günstig beeinflusst.«
    »Anscheinend von Linzstek an seinen Kommandeur«, erklärte sie.
    »Aber keine Unterschrift?«
    »Nur der getippte und unterstrichene Name.«
    »Dann hilft uns das also auch nicht, Linzstek zu identifizieren.«
    »Nein, aber wissen Sie noch, worüber wir geredet hatten? Es verrät einen Grund für den Überfall.«
    »Kleiner Fronturlaub mit Ringelpietz für die Jungs?«
    Ihr Blick ließ ihn erstarren. »Tut mir Leid«, sagte er und hob entschuldigend die Hände. »War völlig daneben. Und Sie haben Recht, es sieht fast so aus, als versuchte der Obersturmführer die ganze Sache zu rechtfertigen.«
    »Für die Nachwelt?«
    »Vielleicht. Schließlich war es für die etwas Neues, auf der Seite der Verlierer zu stehen.« Er warf einen Blick auf die anderen Dokumente. »Sonst noch etwas?«
    »Ein paar weitere Berichte, nichts Aufregendes. Und ein paar Augenzeugenaussagen.« Sie sah ihn mit blassgrauen Augen an. »Auf die Dauer geht's einem an die Nieren, nicht?«
    Rebus nickte.
    Die einzige Überlebende des Massakers wohnte in Juillac und war von der örtlichen Polizei kürzlich nach dem seinerzeit verantwortlichen Offizier der deutschen Truppen befragt worden. Ihre Aussage war die gleiche, die sie während des Prozesses gemacht hatte: Sie habe ihn lediglich ein paar Sekunden lang gesehen, und das auch nur vom Dachboden eines dreistöckigen Hauses aus. Man hatte ihr ein neueres Foto von Joseph Lintz gezeigt, worauf sie die Achseln zuckte.
    »Vielleicht«, hatte sie gemeint. »Ja, vielleicht.«
    Was der Staatsanwalt, wie Rebus wusste, niemals verwenden würde, da er verdammt genau wusste, was jeder auch nur unterdurchschnittlich begabte Verteidiger mit einer solchen Aussage gemacht hätte.
    »Wie geht der Fall voran?«, fragte Kirstin Mede. Vielleicht hatte sie etwas in seiner Miene bemerkt.
    »Schleppend. Das Problem ist dieser ganze Kram.« Er deutete auf den mit Papieren übersäten Schreibtisch. »Auf der einen Seite habe ich diese ganzen Unterlagen, auf der anderen einen kleinen Opa aus der Neustadt. Die beiden passen einfach nicht zusammen.«
    »Haben Sie ihn persönlich gesprochen?«
    »Ein-, zweimal.«
    »Was ist er für ein Mensch?«
    Was war Joseph Lintz für ein Mensch? Er war gebildet, beherrschte etliche Fremdsprachen. Er war sogar eine Zeit lang Professor für Germanistik an der Universität gewesen, Anfang der siebziger Jahre. Seine Erklärung dazu: »Ich füllte lediglich eine Vakanz aus, bis sie jemand Qualifizierteres gefunden hatten.« In Schottland lebte er seit 1945 oder 46 -was Daten anging, blieb er im Unbestimmten und machte dafür sein Gedächtnis verantwortlich. Die Angaben zu seinem früheren Leben hörten sich ebenso verschwommen an. Er meinte, alle seine persönlichen Papiere seien vernichtet worden. Die Alliierten hätten ihm Duplikate ausstellen müssen. Dass diese neuen Dokumente mehr waren als lediglich die amtliche Bestätigung einer Lügengeschichte, die man ihm abgenommen hatte, konnte man Lintz glauben oder nicht: Andere Beweise dafür gab es nicht. Seine Geschichte: geboren im Elsass; Eltern und sonstige Angehörige verstorben; Zwangsverpflichtung in die SS. Das Detail mit der SS fand Rebus sehr geschickt. Es war genau die Art von Eingeständnis, das Vernehmungsbeamte zu dem Schluss führte: Er

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