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Rebus - 09 - Die Sünden der Väter

Rebus - 09 - Die Sünden der Väter

Titel: Rebus - 09 - Die Sünden der Väter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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sie neben meinem Auto. Ich hatte keine Ahnung, wo ich sie hätte hinbringen können. Also nahm ich sie hierher mit. Aber sie erkannte die Straße wieder. Telford hat meine Wohnung beobachtet.«
    Claverhouse machte ein interessiertes Gesicht. »Warum?«
    »Vielleicht weil ich Cafferty kenne. Ich konnte Candice nicht hier behalten, also habe ich sie zu Sammy gebracht.«
    »Ist sie noch immer dort?« Rebus nickte. »Und was passiert jetzt?«
    »Sie kann woanders unterkommen, bei der Flüchtlingsfamilie.«
    »Für wie lange?«
    »Was meinen Sie damit?«
    Claverhouse seufzte. »John, sie ist... das einzige Leben, das sie hier kennen gelernt hat, ist das der Prostitution.« Um sich irgendwie zu beschäftigen, ging Rebus an die Hi-Fi-Anlage und sah seine Kassetten durch.
    »Wie soll sie sich ihren Lebensunterhalt verdienen? Werden Sie für sie sorgen? Zu was macht Sie das?« Rebus ließ eine CD fallen und drehte sich abrupt um. »Nichts dergleichen«, stieß er hervor.
    Claverhouse hob beschwichtigend die Hände. »Kommen Sie schon, John, Sie wissen doch selbst, dass es ~«
    »Gar nichts weiß ich.«
    »John...«
    »Wie wär's, wenn Sie jetzt gehen würden?« Es war nicht nur ein langer Tag gewesen, sondern vor allem das Gefühl, als würde dieser Tag niemals enden. Er spürte förmlich, wie sich der Abend ins Unendliche dehnte und ihm nirgendwo Ruhe bot. In seinem Kopf wiegten sich Leichen sanft in Baumkronen, während eine Kirche unter Rauchschwaden versank. Telford saß auf seinem Spielzeugmotorrad und fuhr Umstehende über den Haufen. Abernethy berührte einen alten Mann an der Schulter. Soldaten schlugen mit Gewehrkolben auf Zivilisten ein. Und John Rebus... John Rebus war in jeder Szene dabei und gab sich alle Mühe, lediglich Zuschauer zu bleiben. Er legte Van Morrison auf: Hardnose the Highway . Er hatte diese Musik an Stränden von East Neuk und bei Hausobservierungen laufen lassen. Sie schien ihn immer zu heilen oder zumindest seine Wunden zu lindern. Als er sich wieder umdrehte, war Claverhouse verschwunden. Er schaute aus dem Fenster. In der Wohnung direkt gegenüber wohnten zwei Kinder. Er hatte sie schon oft vom Fenster aus beobachtet, aber sie hatten ihn nicht ein einziges Mal gesehen, weil sie nie auch nur einen Blick nach draußen warfen. Ihre Welt war in sich vollkommen und spannend, was immer sich vor ihrem Fenster abspielen mochte, völlig belanglos. Jetzt lagen sie im Bett, ihre Mutter zog die Fensterläden zu. Ruhige Stadt. Was das anging, hatte Abernethy Recht. Es gab weite Teile Edinburghs, in denen man sein ganzes Leben zubringen konnte, ohne jemals in Schwierigkeiten zu geraten. Dennoch war die Mordrate in Schottland doppelt so hoch wie die in seinem südlichen Nachbarland, und die Hälfte dieser Morde wurde in den zwei größten Städten verübt.
    Nicht dass Statistiken etwas bedeutet hätten. Ein Tod war ein Tod. Etwas Einzigartiges war aus der Welt verschwunden. Ein Mord oder mehrere hundert... für die Überlebenden war jeder Einzelne von Bedeutung. Rebus dachte an die einzige Überlebende von Villefranche. Er hatte sie nie kennen gelernt und würde dazu wohl auch nie Gelegenheit haben. Ein weiterer Grund, warum es so schwer war, sich wirklich, leidenschaftlich in einen historischen Fall zu vertiefen. In einem zeitgenössischen war ein Großteil der Fakten unmittelbar verfügbar. Man konnte mit den Zeugen reden, Beweismaterial sammeln, Zeugenaussagen hinterfragen. Man konnte Schuld und Leid abschätzen. Man wurde Teil der Geschichte. Das war es, was Rebus interessierte. Die Menschen interessierten ihn; ihre Geschichten fesselten ihn. Wenn er an ihrem Leben teilhatte, konnte er sein eigenes vergessen.
    Er bemerkte, dass der Anrufbeantworter blinkte: eine Nachricht.
    »Ach, hallo. Ich bin... äh, ich weiß nicht, wie ich das sagen soll...« Es war die Stimme von: Kirstin Mede. Sie seufzte. »Hören Sie, ich kann nicht mehr weitermachen. Also, versuchen Sie bitte nicht... Es tut mir Leid, ich kann einfach nicht. Es gibt andere Leute, die Ihnen helfen können. Ich bin sicher, dass einer von denen...«
    Ende der Nachricht. Rebus starrte auf das Gerät. Er nahm es ihr nicht übel. Ich kann nicht mehr weitermachen . Geht mir genau so, dachte Rebus. Der einzige Unterschied war - er musste weitermachen. Er setzte sich an den Tisch und zog das Villefranche-Material zu sich heran: Listen von Namen und Berufen, Lebensaltern und Geburtsdaten. Picat, Mesplede, Rousseau, Deschamps, Weinhändler,

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