Rebus - 09 - Die Sünden der Väter
Wangen hatten sich gerötet. Sie schlug die Beine übereinander, zog den Rocksaum so weit es ging zum Knie. »Ja«, sagte sie schließlich, »ich bin zu seinem Haus gegangen.«
»Warum?«
»Weil ich ihn von Nahem sehen wollte.« Sie fixierte ihn jetzt herausfordernd. »Ich dachte, vielleicht könnte ich es ihm vom Gesicht ablesen... vom Ausdruck seiner Augen. Vielleicht vom Ton seiner Stimme.«
»Und, konnten Sie es?«
Sie schüttelte den Kopf. »Rein gar nichts. Kein Fenster der Seele.«
»Was haben Sie zu ihm gesagt?«
»Wer ich bin.«
»Irgendeine Reaktion?«
»Ja.« Sie verschränkte die Arme. »Seine Worte: ›Gnädige Frau, wären Sie so freundlich, sich zu verpissen?‹«
»Und, haben Sie sich?«
»Ja. Weil ich in dem Moment Bescheid wusste. Nicht, ob er Linzstek war oder nicht, aber etwas anderes.«
»Was?«
»Dass er fix und fertig war.« Sie nickte. »Absolut am Ende mit den Nerven.« Sie sah Rebus wieder an. »Und zu allem imstande.«
Das Problem mit der Observierung der Flint Street war die Offenheit gewesen, mit der sie durchgeführt worden war. Eine verdeckte Operation - under-undercover - wäre das Richtige gewesen. Rebus hatte beschlossen, das Gelände auszukundschaften.
Die Mietwohnungen gegenüber von Telfords Cafe und Spielhalle hatten eine einzige gemeinsame Haustür. Die war abgeschlossen, also drückte Rebus wahllos auf einen Klingelkopf- mit dem Namensschild HETHERINGTON. Wartete, drückte noch einmal. Eine ältliche Stimme meldete sich über die Sprechanlage.
»Wer ist da, bitte?«
»Mrs. Hetherington? Detective Inspector Rebus. Ich bin der für Ihr Stadtviertel zuständige Kriminalbeamte. Könnte ich mich mit Ihnen über Haussicherheit unterhalten? In letzter Zeit hat es in dieser Gegend einige Einbrüche gegeben, vor allem bei älteren Mitbürgern.«
»Grundgütiger, da kommen Sie besser herauf!«
»Welcher Stock?«
»Der erste.« Die Tür summte, und Rebus drückte sie auf.
Mrs. Hetherington erwartete ihn schon an ihrer Wohnungstür. Sie war winzig und sah gebrechlich aus, aber ihre Augen waren lebhaft und ihre Bewegungen entschlossen. Die kleine Wohnung wirkte gepflegt. Im Wohnzimmer glühte ein Elektroofen mit zwei Stäben. Rebus ging zum Fenster und stellte fest, dass er direkt auf die Spielhalle sehen konnte. Idealer Ort für eine Observierung. Er tat so, als überprüfte er die Fenster.
»Die scheinen in Ordnung zu sein«, sagte er. »Sind die immer verriegelt?«
»Im Sommer mache ich sie ein Stückchen auf«, antwortete Mrs. Hetherington, »und natürlich, wenn ich sie putze. Aber anschließend verriegle ich sie gleich wieder.«
»Vor einem sollte ich Sie noch warnen: vor angeblichen Beamten. Leuten, die an ihre Tür kommen und behaupten, sie seien der und der. Bestehen Sie darauf, dass sie sich ausweisen, und öffnen Sie erst, wenn Sie sich von deren Identität überzeugt haben.«
»Wie kann ich den Ausweis sehen, ohne die Tür zu öffnen?«
»Bitten Sie die Leute, ihn durch den Briefkastenschlitz zu schieben.«
»Ihren Ausweis habe ich noch nicht gesehen, oder?«
Rebus lächelte. »Ja, das stimmt.« Er holte ihn heraus und zeigte ihn ihr. »Manchmal können gefälschte Ausweise ziemlich echt aussehen. Wenn Sie sich nicht sicher sind, lassen Sie die Tür zu und rufen die Polizei.« Er sah sich um. »Haben Sie Telefon?«
»Im Schlafzimmer.«
»Gibt es dort Fenster?«
»Ja.«
»Darf ich mich da kurz umsehen?«
Das Schlafzimmerfenster ging ebenfalls auf die Flint Street. Rebus bemerkte ein paar Reisebroschüren auf der Frisierkommode, einen kleinen Koffer neben der Tür.
»Geht's in den Urlaub?« Wenn die Wohnung leer stand, ließ sich vielleicht eine Überwachung einrichten.
»Bloß ein verlängertes Wochenende«, sagte sie.
»Wohin soll's gehen?«
»Nach Holland. Ist zwar nicht die richtige Jahreszeit für die Tulpenfelder, aber ich habe da schon immer hingewollt. Es ist ziemlich umständlich, von Inverness aus zu fliegen, aber sehr viel billiger. Seit dem Tod meines Mannes... na ja, da reise ich ein bisschen.«
»Ob Sie mich wohl mitnehmen würden?« Rebus lächelte. »Dieses Fenster ist auch in Ordnung. Ich sehe mir nur noch Ihre Tür an, ob ein paar zusätzliche Schlösser sinnvoll wären.« Sie gingen in den schmalen Flur.
»Wissen Sie«, sagte sie, »wir haben hier bisher immer Glück gehabt, nie irgendwelche Einbrüche oder sonst was in der Art.«
Kaum verwunderlich in einem Haus, das Tommy Telford gehörte.
»Und dann natürlich mit dem
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