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Rechnung offen

Rechnung offen

Titel: Rechnung offen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inger-Maria Mahlke
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Büschen Hunde, gekrümmt, schwanzwedelnd, hechelnd, sie wühlten mit den Schnauzen Schnee auf, altes Laub, schienen sich zu freuen. Ebba wollte nach ihnen treten, bis sie jaulten. Sie war im Kreis gelaufen, zum Rhododendrongarten, auch dort standen Polizisten und unterhielten sich, sprachen von Zeit zu Zeit in ihre Funkgeräte, hielten Plastikbecher in den Händen, aus denen es dampfte. Ebba war zum Spielplatz gegangen, zum Minigolf und wieder zurück, hatte den Schweiß gefühlt, kalt auf ihrer erhitzten Haut. Die Dose vor Augen, ein paar hellgrüne Krümel lagen am Rand. Und es war früh, und es waren viele Stunden, bis es dunkel genug war, um zu schlafen. Und sie würde warten und warten und die Dose öffnen und die Krümel von einer Seite zur anderen schütteln, und weiter warten. Und ihre Hand würde zittern, so dass sie Angst haben würde, dass der Tabak und die jämmerlichen grünen Krümel vom Blättchen fallen würden, auf die Bettdecke, wenn sie sie zusammendrehte. Und es würde schnell vorbei sein, bis auf den Pappfilter herabgeraucht, und dann trennte sie nichts mehr von, von was eigentlich, hatte sie sich gefragt.
    Also hatte Ebba geklingelt, im Erdgeschoss, der Helle hatte aufgemacht.
    »Das Haus gehört meinem Vater«, hatte sie gesagt. »Und der weiß nicht, dass ihr hier wohnt.« – »Komm rein«, er war einen Schritt zur Seite getreten, »was willst du?« – »Gras«, Ebba hatte überschlagen, wie viel sie benötigte, »eine Fünfzigertüte.« Er hatte sie in den Wohnungsflur gewunken, hatte leise die Tür geschlossen und war nach nebenan gegangen. Sie hatte ihn telefonieren hören, hatte Angst bekommen. Er hatte genickt, als er wiederkam, »o.k.« gesagt.
    Ebba drückte erneut den Plastikknopf, drei Mal, schnell hintereinander. Ein Schatten fiel ins Treppenhaus. Vor der Haustür stand jemand, hinter dem geriffelten Glas, nicht größer als sie. Sie hörte die Klingeln schrillen, alle gleichzeitig. »Werbung«, sagte sie leise vor sich hin. Ging auf die Haustür zu, riss sie auf, hau ab, wollte sie sagen. Vor der Tür stand das dunkelhaarige Mädchen. Das Mädchen hob den Kopf, machte einen Schritt zur Seite, damit Ebba genug Platz hätte, um auf den Gehweg zu treten. Als Ebba sich nicht rührte, ging es an ihr vorbei in den Hausflur. Bei den Briefkästen blieb es stehen und las die Namen. Was willst du, wollte Ebba fragen, aber da ging die Tür auf.
    Der Ägypter musterte erstaunt das Mädchen, sie stieg die Stufen hinauf, ehe er zur Seite blickte. »Schon wieder«, er verdrehte die Augen, jedes Mal, wenn er die Tür öffnete, verdrehte er die Augen, Ebba klopfte einmal die Woche.
    ***
    Der Hochstapler stand am Fenster, drehte sich nicht um, als sie ins Wohnzimmer kam.
    »Der Tee«, Elsa stellte die Kanne aufs Stövchen, nahm die Stoffservietten von den Gedecken. Sie hatte sich angewöhnt, das Geschirr auf dem Tisch zu lassen, es nicht nachmittags aus dem Schrank zu holen und abends wieder in das Fach zu räumen, wenn er nicht kam. Die Tellerränder und Tassenwände stießen dabei aneinander, stießen gegen das Holz, bekamen Sprünge, Staub sammelte sich in den Senken, auf den Böden. Sie hatte abgewaschen, ohne das Geschirr benutzt zu haben, eine Tasse war ihr entglitten, sie musste das heiße Wasser ablassen, um sämtliche Scherben aus der Spüle zu sammeln. Seitdem ließ sie den Wohnzimmertisch gedeckt und legte Stoffservietten auf die Gedecke, auf Zuckerdose und Stövchen, das Milchkännchen füllte sie erst, wenn er unten klingelte.
    Er stand vorgebeugt, stützte sich mit beiden Händen auf die Fensterbank, sein Hemd berührte beinah die Blumen, seine Stirn die Scheibe.
    »Vorsicht«, Elsa deutete auf das Gesteck, seine Knopfleiste streifte über die Gladiolen. »Fünfundzwanzig Jahre«, sagte sie.
    Er nickte.
    Elsa war nicht sicher, ob sie erzählt hatte, »Arbeitsjubiläen, zwanzig und fünfundzwanzig Jahre im Wohnzimmer, fünfzehn in der Küche, dreißig Jahre auf der Schlafzimmerfensterbank«. Bürovorsteherin war sie gewesen, Albert Appelt, Neuköllnische Seidenblumen Manufaktur , neunundvierzig Jahre lang. Aushilfe zuerst, Lagerflitzer, sie sucht Bestellungen zusammen, arbeitet Listen ab, die der Vertrieb an das Holzbrett neben der Tür heftet. Die Leitern haben Rollen, in einer Rille im Boden eingelassen, die Sprossen sind weich und glattgerieben von den Händen und splittern nicht. Sie weiß genau, wie kräftig sie sich abstoßen muss, um zu einem bestimmten Regal zu gelangen,

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