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Rechnung offen

Rechnung offen

Titel: Rechnung offen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inger-Maria Mahlke
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denkt sie, schlafen. Erika hält ein Bündel in den Armen, als sie wieder in ihr Blickfeld kommt, Handtücher, weiß mit hellroten Flecken, sie bedeckt sie mit ihren Handflächen, trägt es vor der Brust, fest an sich gedrückt. »Nicht bewegen«, sagt sie.
    Sie schließt die Augen, überlässt sich der Brandung, sich zu bewegen wäre ihr nie eingefallen. Erika ist im Bad, sie hört Wasser laufen. Und sonst keinen Mucks.
    »Winzig und ganz blau«, sagt Erika, als sie zurückkommt. »Die Lunge«, sagt sie und »sieh es dir nicht an.«
    Der Kehrbesen lag nicht unter der Spüle, Elsa beugte sich weiter vor, ihr Rücken schmerzte, sie schob den Eimer beiseite, Feudel, Möbelpolitur, Glasreiniger. Die Kehrschaufel fehlte ebenso. Manchmal hatte sie sich gefragt, ob Erika was mit dem Kind gemacht hatte. Es im Bad unter Wasser gedrückt. Sie hatte von ihr geträumt letzte Nacht. Hatte geträumt, dass sie in Erikas Wohnzimmer stand, vor leeren Bücherregalen, und Kartons auspackte, die Bretter aus schwerem, dunklem Mahagoni. Irgendjemand weinte. Sie ging ins Schlafzimmer, da stand ein Ehebett, nicht bezogen, nur ein Gestell und zwei Matratzen. Sie hatte sich auf die Dielen gekniet, und druntergesehen. Unter dem Bett lag Erika und hielt ein schreiendes Baby im Arm. »Was machst du«, fragte Elsa. Erika rührte sich nicht. Sie rollte Erika unter dem Bett hervor, ganz leicht ging das, als wäre Erika eine große leere Papprolle, Staubflusen hingen an ihr. Erika hatte sie angesehen und stumm ihre Hand um den bloßen Hinterkopf des Kindes gelegt, als wollte sie es beschützen.
    ***
    Geh über den lilabraunen Teppich, geh ins Bad, zum Spiegel, mach das Licht an. Sieh dir ins Gesicht und denk es. Hast trockene Flecken auf Wangen und Stirn, die schuppen sich ab, deine Augenlider sind rotgerändert, die Lippen mit Hautfetzen bedeckt, nichts rührt sich. Ziehst die Mundwinkel hoch, willst rausfinden, ob sie sich noch rühren können. Hoch, runter, Lachgesicht, Weingesicht, sei nicht albern, sag es laut. Bist zu feige, das sagst du laut. »Feige«, gegen die beigefarbenen Kacheln, auf jede dritte ist ein Strauß braun-weißer Blumen gemalt.
    Hattest mein Körper ist eine Falle gedacht, es war Silvester, ihr habt am dunklen Küchenfenster gestanden und still den Explosionen zugesehen. An Marokko hast du gedacht, so hell, dass es wehtut, und es würde nichts bringen. Würdest es mitnehmen, es würde wachsen, inmitten der Steine und flackernder Luft, wo nichts wächst, würde es wachsen. Die kleine Wölbung zwischen Schamhügel und Bauchnabel, hast sie nicht anfassen mögen, war eine Falle.
    Hattest ihm nicht von dem blauen Punkt erzählt, der sich zu einem krumpeligen weißen Fleck auf dem Ultraschallmonitor auswuchs. Hast »ich esse zu viel« gesagt, er mochte deine anschwellenden Brüste und fragte nicht weiter. Hast manchmal überlegt, Connie anzurufen.
    Es läge keine Indikation für eine Spätabtreibung vor, hat die Ärztin immer wieder ruhig wiederholt. »Ich lasse mich nicht verarschen«, hat er gebrüllt, und wie du so doof sein konntest, das nicht früher zu merken.
    Da hast du nicht mehr rausgehen können. Hattest Angst, er würde das Türschloss austauschen, wenn er die Wohnung leer vorfände. Die Zeitung mit den angekreuzten Wohnungsannoncen klemmte in seinem Statikbuch, hast es in seiner Uni-Tasche gefunden. »Ich kann nicht mehr«, hat er gesagt. »Ich werde dich unterstützen, aber ich zieh aus«, hat er gesagt. Ist einkaufen gegangen, als du anfingst zu weinen.
    Bist mit Jogginghose und Socken in Latschen durch die Flure geschlichen, zum Aufenthaltsraum, in den Hof, rauchen, zurück ins Zimmer, die Tische aus hellem, abwaschbarem Resopal. »Das ging gegen mich«, hat er gesagt, still ist es, nur das Gewitsche der Latschensohlen auf dem PVC , »ein Akt gegen mich.«
    Wolltest nicht reden, was solltest du auch sagen. Ein Trauersee steht still in meinem Bauch, aus dem steigt abends Dunst auf und tanzt mit den Regenelfen. Hast mit einer, die auch nicht reden wollte, Tischtennis gespielt. Hättest am liebsten die ganze Woche nichts anderes getan, als Tischtennis zu spielen, dem Ploppen der Bälle zuzuhören. Ihr habt keine Punkte gezählt, schweigend gespielt, warst sicher, du hast gewonnen.
    Hast die Finger in die Ohren gesteckt, mit den Achseln gezuckt, »es ist wichtig, dass Sie mit uns reden«, haben sie gesagt. »Das wievielte Mal«, haben sie beim ersten Gespräch gefragt und »warum die Pulsadern?«. – »Unsere Wohnung

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