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Rechnung offen

Rechnung offen

Titel: Rechnung offen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inger-Maria Mahlke
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die Hände auf die Jacke gepresst, dort, wo auf dem Dunkelblau der ovale Schneeabdruck ihrer Schuhspitze zu sehen war, und sagte nichts, betrachtete nur seine Hände. Er folgte ihr nicht, kam nicht hinter ihr her, sie drehte sich um, ehe sie die Haustür aufschloss, er saß noch immer auf dem Boden.

Mittwoch, 10. Dezember
    Der Laut ließ ihn zurückfahren, die Bürste in der Hand, der Zahnpastastreifen fiel ins Waschbecken. Es klang, als käme er von einem Lebewesen, als würde Luft aus flatternden Luftröhren gepresst. Claas drehte den Hahn weiter auf, einzelne Tropfen sammelten sich am Siphon, überzogen das Sieb kurz mit einer durchsichtigen Wölbung, ehe sie ins Waschbecken fielen. Danach nichts mehr. Er drehte den Hahn ganz auf, hatte die Hauswasserrechnung bezahlt, die Überweisung war nicht zurückgebucht worden, kein Brief war gekommen: Ihr Auftrag konnte mangels Deckung nicht ausgeführt werden . Er sah zum Fenster, zu dem weißen Streifen, der mittlerweile handbreit vor der Scheibe lag. Eingefroren, nicht abgestellt. Nicht mal heizen konnten sie.
    Die Leitungen werden bersten, das Wasser wird sich erst eintrüben, und dann werden die Eiskristalle wachsen. Sich ausdehnen, hell aufpoppen wie Fischaugen in der Pfanne, eines neben dem anderen, im Zeitraffer sah er es vor sich, filigran und unerbittlich stemmten die Kristalle sich gegen die Kunststoffwände des Rohres. Sie werden es sprengen, weiß an den Bruchkanten herauswuchern. Wenn es wieder taute, würde die ganze Suppe ins Mauerwerk fließen. Sie machten sein Haus kaputt, nicht zahlen und ihn kaputtmachen.
    Eine kleine Handbewegung, die Heizkörper aufdrehen, mehr nicht, und sei es nur so weit, bis die Pfeilspitze auf das Eiskristallpiktogramm deutete, Frostschutz, eine kleine Handbewegung. Er warf die Zahnbürste ins Waschbecken, trug nur seinen Pyjama, ging in den Flur, zog den Mantel über und nahm den Schal. Er würde nicht klingeln, nein, an ihre Türen würde er hämmern, mit den Fäusten aufs Holz schlagen, bis sie verschlafen öffneten. Gebückt und unfähig, in Decken gewickelt, stellte er sie sich vor. Und dann sollten sie ihm die Heizkörper zeigen, die Regler, er würde kontrollieren, worauf die Pfeile deuteten, sie nicht aus den Augen lassen, damit sie nicht heimlich aufdrehten. Der Schlüssel steckte von innen, nachts schloss er ab, in Charlottenburg taten sie das nie. Er würde im Erdgeschoss anfangen, damit er hörte, wenn einer versuchte, durchs Treppenhaus zu entkommen.
    Er hielt inne. Kupferrohrenden, rechts und links unter dem Fenster, die nicht richtig schließenden Rollläden, ein Mittelstreifen aus Lichtvierecken, wir haben keine.
    »Scheiße«, Claas blieb im Flur stehen, sagte es laut. Er könnte sich anziehen und in die Praxis fahren, er dachte an das Handtuch im Garderobenschrank, das Duschgel daneben, warmes Wasser.
    Er ging dennoch die Treppe runter, Radiator, Heizlüfter, sie hatten genug Möglichkeiten, und doch blieb alles an ihm hängen. Er sah Theresa vor sich, in Embryonalhaltung, die Bettdecke über den Kopf gezogen, mit einem Atemloch an der Seite, für Nase und Mund. Claas klingelte im Erdgeschoss, wartete, nichts, drückte erneut. Er müsste die Klingel schrillen hören, der Strom funktionierte, betrachtete den Plastikknopf, drückte nochmals, nichts. Claas dachte an den schmalen Mann und klopfte zwei Mal kurz, Pause, und dann noch einmal. Sah sie im hinteren Zimmer stehen mit dem Rücken zur Wand, Gesicht zur Tür, als hätten sie Angst. Er schlug zu, mit der Faust, immer wieder, in einer Pause hörte er weiter oben im Treppenhaus eine Tür aufgehen.
    Kurz überlegte er, sich gegen das Holz zu werfen, bis die Angeln barsten. Er hatte die Ersatzschlüssel aus der Praxis mitgenommen, sie lagen oben in der Küche.
    Im zweiten Stock war die Tür neben Ebbas Wohnung offen, Frau Streml stand auf der Schwelle, sie war bereits angezogen.
    »Das Wasser ist abgestellt, sie rationieren wieder«, sagte sie, als sie Claas sah. »Wenigstens war kein Alarm.«
    Claas nickte im Vorbeigehen, hörte, dass sie hinter ihm die Tür wieder zumachte.
    Er klopfte sicherheitshalber, ehe er den Schlüssel ins Schloss schob, sagte »ich komme jetzt rein« gegen das Holz, war nicht sicher, ob sie ihn hören konnten, falls sie da waren, im Flur standen und lauerten.
    In der Wohnung war es dunkel, Claas streckte vorsichtig den Arm hinein, fand den Lichtschalter, eine Glühbirne ging an, direkt über ihm. Der Flur war leer, keine Fahrräder, die

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