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Recht und Gerechtigkeit: Ein Märchen aus der Provinz (German Edition)

Recht und Gerechtigkeit: Ein Märchen aus der Provinz (German Edition)

Titel: Recht und Gerechtigkeit: Ein Märchen aus der Provinz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Kachelmann , Miriam Kachelmann
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Hochachtung der meisten Stock werksbeamten erfreute. Die bei mir ankommenden, auch nonverbalen Botschaften von Schüssler und dem Leiter der U-Haft waren dieselben: ein gewisses Bedauern, dass ich da war, und dass die anderen Gefangenen tendenziell Menschen seien, die man aber besser meiden sollte, weil sie nichts Gutes von einem wollten. Es sei eben ein Gefängnis und kein Mädchenpensionat. Hatte ich es doch geahnt in den letzten nicht einmal vierundzwanzig Stunden.
    Anstrengender wurde der Besuch beim Arzt, weil natürlich ein rundes Dutzend weiterer Häftlinge mit mir auf einen Termin wartete und ich erkannt wurde. Du hier, Alter? Warum? Ich sagte von Anfang an die Wahrheit, dass ich wegen einer Falschbeschuldigung zugegen sei, und ahnte, ohne den großzügigen Umgang der Ermittlungsbehörden mit meinen Persönlichkeitsrechten schon zu kennen, dass es nur noch eine Frage der Zeit sein würde, bis die mediale Begleitung meiner neuen Lebensabschnittsaufgabe in den Blättern von Burda und Springer landen würde.
    Die Untersuchung bei der Ärztin ergab erneutes Bedauern über meine Anwesenheit und einen Blutdruck von 17 0 / 110. Das fand die Knastärztin nicht gut, und fürderhin bekam ich einmal täglich – immer mit dem Mittagessen in einem kleinen Tütchen durch den Stockwerksbeamten ausgeteilt – Atacand, einen Blutdrucksenker, acht Milligramm oder sechzehn Milligramm zum Halbieren vor Gebrauch. Das war vermutlich die größte Angst bei den Knastchefs: dass ich mich ans Gitter hängen oder sonstwie über den Jordan gehen könnte. Das wäre nicht karrierefördernd gewesen, und Schüssler wäre womöglich nicht inzwischen Landgerichtspräsident in Mosbach geworden. Ich hatte aber keinesfalls vor, einen Abgang zu machen, warum auch, und überhaupt wäre es genau das, was die Anzeigeerstatterin sich so sehr wünschte, wie ich damals ahnte und später von ihr selbst vor Gericht und ihrem Therapeuten bestätigt bekam. Dann wäre ihr Plan perfekt aufgegangen. Ich hatte aber keine Veranlassung, der Anzeigeerstatterin zu helfen. Ich wusste ja, dass die eigentlich Kriminelle unbehelligt außerhalb der JVA war.
    Innerhalb der JVA glaubten allerdings die Beamten der Justiz zunächst offenbar samt und sonders an meine Schuld und versuchten das auch nicht zu verdecken. Ich durfte einen Psychologen kennenlernen, der irgendwelche doch eher unmaßgeblichen Fragen stellte, um zu beurteilen, ob ich in eine Einzelzelle könne. Das wollte ich schon, obwohl ich einen neuen jungen Zellenkumpel bekommen hatte, dem es nicht so gut ging, und es lenkte mich vom eigenen Elend ab, etwas väterlichen Trost zu spenden und zu hören, wie es sich anfühlt, ein kleines Kind zu Hause zu haben, eine Freundin und das Problem, das fast alle frischgebackenen Häftlinge haben: die Ungewissheit, was mit der Familie passiert. Viele Frauen nutzen die günstige Gelegenheit, sich erst mal das Sorgerecht zu sichern, und jedes Familiengericht beeilt sich, die entsprechende Entscheidung zu treffen. Es macht nie einen guten Eindruck, in Handschellen zu einem solchen Termin vorgeführt zu werden, und einige dieser Mütter zögern auch nicht, sich an ein frei erfundenes Ereignis zu erinnern, bei dem der Mann schon früher irgendwie verhaltensauffällig geworden sei, was dann dankbar in die Begründung des Sorgerechtsentzugs eingearbeitet wird.
    In Österreich rechnen Polizei und Justiz inzwischen mit einer Falschbeschuldigungsquote von achtzig Prozent, die vermutlich auf Deutschland übertragbar ist. In den Niederösterreichischen Nachrichten sagte Leo Lehrbaum, Leiter der Gruppe »Sitte« des dortigen Landeskriminalamts: »Durchschnittlich vier von fünf Anzeigen entpuppen sich nach den Befragungen als erfunden!« Über einen wichtigen Motivationsstrang werden keine Zweifel gelassen, berichtet die Zeitung: Besonders traurig findet er Fälle, wo bei Scheidungs- oder Sorgerechtsstreitigkeiten der vorgetäuschte Missbrauch als Mittel zum Zweck eingesetzt wird. »Im Zuge der Erhebungen, wenn wir dann genauer über den Vorfall sprechen, stellt sich dann zumeist sehr bald heraus, dass sich die Anzeigerinnen in widersprüchlichen Aussagen verstricken und sie geben dann zu, dass das Ganze sich doch nicht oder nicht in dieser Form zugetragen hat. Sie kommen dann oft zur Vernunft und merken, dass das Ganze nicht in Ordnung war«, sagte Lehrbaum. Das wäre in Deutschland genauso, würde denn irgendjemand gewillt sein oder sich trauen, die Anzeigeerstatterinnen

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