Recht und Gerechtigkeit: Ein Märchen aus der Provinz (German Edition)
würgen und kurz aufs Direktorenklo, aber mangels Mageninhalt kam dann zum Glück nichts. Und ist es denn nicht zum Magenumdrehen? Der Inhalt der Bild -Zeitung einerseits, der auf Menschenverachtung beruht und diesen Rechtsstaat mit Füßen tritt, und andererseits die Heuchelei der Verlegerin Friede Springer, die ein philanthropes öffentliches Leben vortäuscht, das aber auf dem Kot ihrer Produkte gebaut ist: Was für eine Kombination! Alle Künstler und Prominenten, die sich in den Dienst des Springer Verlags stellen, täuschen sich, wenn sie glauben, durch dosierte Preisgabe des eigenen Stolzes geschont zu werden. Sie werden langfristig erkennen, dass diese Deals nicht funktionieren. Die Bild -Zeitung und ihre Verantwortlichen scheiden jeden Tag neu werte von unwerten Existenzen und sind im gegenwärtigen Zustand eine Gefahr für die Demokratie in Deutschland. Möglicherweise sind aber auch wie bei Men in Black Aliens in schlecht sitzenden Menschenkostümen am Werk; so wenigstens wären manche Methoden und Inhalte der Bild -Zeitung für mich erklärlich.
Ich konnte nicht auf milde Behandlung bei den Boulevardmedien hoffen, aus vielerlei Gründen. Abgesehen von ein paar kleinen Unsicherheiten, als ich mich durch die Firma oder auch mal einen Fernsehsender gedrängt fühlte, irgendwas zu machen, weil wir uns einen Wetterauftrag erhofften oder weil ich noch dachte, man müsste da mitmachen, hatte ich mich in den letzten Jahren weitgehend zurückgehalten und war zu keiner dieser Veranstaltungen mehr gegangen, bei denen man blöd herumsteht und ein Glas in der Hand hält. Gleichzeitig war die Verachtung für viele Journalisten gewachsen, weil sie auch einfachste Zusammenhänge bei Wettergeschichten entweder nicht korrekt wiedergeben konnten oder wollten – sogar korrektes Zitieren schien in den letzten Jahren ein Ding der Unmöglichkeit geworden zu sein. Allein schon die jahreszeitlich wiederkehrende Frage, wie denn der Sommer oder der Winter werden würde, ist ein untrügliches Zeichen für die Niveaulosigkeit vieler Medien und ihrer Kriterien, was eine Geschichte ist und was nicht. Ich machte nie ein Geheimnis daraus, dass meine Ablehnung eine brüske war, wenn ich nicht erzählen wollte, was ich in den Sommerferien vorhatte. Diese Medien würden keine Rücksicht nehmen, weder auf mich noch auf mir nahe Menschen.
In Anbetracht der Dinge, die unweigerlich kommen würden, tat es mir vor allem um meine Mutter leid. An jenem Montag im März 2010 wurde Eva Emmi Kachelmann Mutter eines mutmaßlichen Vergewaltigers. Noch am selben Tag wurde sie von Journalisten aller Art belagert. Ich machte mir große Sorgen um sie, aber sie blieb stark, wie ich Tage später erfuhr. Ich machte mir keine Gedanken, dass sie glauben könnte, was mir vorgeworfen wurde; sie kannte mich gut genug, um zu wissen, dass weder Gewalttätigkeit noch Jähzorn oder sonst irgendetwas, was einige der Frauen aus meiner Vergangenheit, von denen noch die Rede sein wird, später dann in den Medien oder vor Gericht berichten sollten, wahr sein könnte. Schwieriger war es, sie davon zu überzeugen, dass die deutsche Justiz nicht immer das ist, was sie sich als deutsche Beamtenwitwe eines verstorbenen deutschen Oberinspektors der früheren Deutschen Bundesbahn so vorstellte.
Wochen später, nachdem ich erfahren hatte, was die Staatsanwaltschaft Mannheim so alles zusammenfantasiert hatte mit angeblich von mir stammenden Spuren am Messer, und erlebte, wie sich die Poli zisten von Schwetzingen so nachdrücklich um ihre Mitbürgerin schar ten, fasste ich gegenüber meiner Mutter zusammen, dass bei der Justiz in Mannheim nicht nur individuell, sondern eine ganze Ansamm lung furchtbarer Juristen anzutreffen sind. Das wollte sie anfangs kaum glauben, inzwischen aber sieht sie es auch so, sogar mit noch etwas mehr Schärfe. Der Furor in den nicht öffentlichen Sitzungen, als sich Gericht und Staatsanwaltschaft an meinem Privatleben delektierten und verzweifelt belastenden Nektar aus den Aussagen gewisser Zeuginnen zu saugen suchten, entsetzte nicht nur mich, sondern auch manche Gutachter und andere erfahrene Leute im Gerichtssaal, die so etwas in Jahrzehnten ihrer Arbeit noch nie erlebt hatten.
Ich hatte mich entschlossen, im Knast sämtliche Fernsehberichte zu ignorieren, die sich mit mir befassten. Das war nicht ganz einfach, die Berichterstattung war mehr oder weniger täglich neu, was mir meine Knastkumpels beim Hofgang teils anerkennend (»Ey, so viele Weiber,
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