Recht und Gerechtigkeit: Ein Märchen aus der Provinz (German Edition)
der Postrunde hat mir einer der Kumpels die Karte übergeben, und ich musste kurz mit der Rührung kämpfen. Am Nachmittag gab es dann sogar noch zwei Torten bei den Kollegen, und wir haben eine ganz neue Umschlussrunde zusammenbekommen, um die Torten zu genießen und gebührend zu feiern. So ging der Tag einigermaßen gut zu Ende; die Birkenstocks kamen auch und überbrachten die Grüße meiner Mutter und von anderen lieben Menschen.
Der Hangover kam dann in der Nacht und am Tag danach, als es mir nicht gut ging. An solchen Tagen blieb ich weitgehend in der Zelle und schwänzte manchmal den Hofgang, wie ich es auch an den entscheidenden Tagen tat, als man mir ankündigte, dass ich vielleicht entlassen würde. Doch als es selbst nach dem zumindest vordergründig positiven Gutachten von Luise Greuel, der Psychologieprofessorin aus Bremen, wonach die Aussagen aus Schwetzingen den Mindestanforderungen an eine belastende Aussage nicht genügten, nicht zur Entlassung kam (eigentlich war das Ergebnis der Haus- und Hofgutachterin der Polizei und Justiz für Falschbeschuldigerin Dinkel derart vernichtend, dass die Mannheimer Staatsanwaltschaft dem Ergebnis mit der Anklageerhebung zuvorkommen wollte), war mir klar, dass die mutmaßlichen Juristen der Staatsanwaltschaft und des Landgerichts nicht zu stoppen waren und nur noch das Oberlandesgericht Karlsruhe Recht sprechen konnte. Einer der weiß bekittelten Pfleger, die abends ihre Runde zur Medikamentenverteilung machten, versicherte mir immer wieder, das Oberlandesgericht gehöre nicht zu der unappetitlichen Mannheimer Seilschaft und werde unabhängig entscheiden – sein Wort in Gottes Ohr.
Das Oberlandesgericht
Das Landgericht hatte Ende Juni, Anfang Juli 2010 mit dem Versuch, eine mündliche Haftprüfung ohne die beantragte Teilnahme der Nebenklägerin oder der Gutachter durchzuführen, eine Falle gestellt, in die wir zwar nicht tappten, die aber »Seidlingbockbültmann« (das sind der Vorsitzende Richter Michael Seidling, der Beisitzende Richter Dr. Joachim Bock, die Berichterstattende Richterin Daniela Bültmann) erlaubten, ihre einseitige Sicht der Dinge erneut unter die Leute zu bringen. Nun lag die Haftentscheidung beim Oberlandesgericht Karlsruhe, und ich versuchte mich in gedämpftem Optimismus. Ich hatte im Knast schon immer (und, wie sich herausgestellt hatte, leider korrekt) gesagt, dass ich in Mannheim keine rationale Sicht auf meinen Fall erwartete und erst Hoffnung auf Gerechtigkeit hätte, wenn der Fall aus Mannheim heraus wäre. Dieser Haftprüfungstermin hätte dem verurteilungswütigen Landgericht Mannheim die Möglichkeit gegeben, noch mal öffentlichkeitswirksam unter Vermeidung einer Ladung von Dinkel und den ihr widersprechenden Gutachtern zu erklären, dass meine Aussage ja unglaubwürdig sei und so die Latte fürs Oberlandesgericht noch höher zu legen. Das Verfahren musste weg aus dieser Stadt.
Das war es jetzt. Karlsruhe. Nun musste es klappen, wenn ich noch eine Chance auf Recht und Gerechtigkeit haben, wenn ich nicht je weils in Handschellen vor Gericht vorgeführt und nach einem Prozess tag wieder in die Herzogenriedstraße zurückgekarrt werden wollte. Ich war zwar nach all der Zeit ein selbstbewusster, erfahrener Knacki geworden, aber ich wollte raus. Ich war unschuldig, und die, die für meine Lage verantwortlich war, lachte sich wohl eins, wie sie es später auch am ersten Verhandlungstag tat. Endlich Kontrolle über den Mann – so wird sie gedacht haben –, den sie zuvor öfter monatelang nicht gesehen hatte. Sie muss sehr befriedigt gewesen sein, es geschafft zu haben, dass ich nicht wegkonnte aus dem Elendsgebiet zwischen Mannheim und Schwetzingen.
Menschlich lief im Knast alles gut, aber es war eben immer noch Knast, und auch wenn ich mich mit der Zeit stärker fühlte, gab es doch stets die kurzen Momente von Verzagtheit, nicht Selbstmitleid, aber eben Momente, in denen ich die Welt sehr ungerecht fand. Nachts, wenn man aufwacht und sich im ersten Moment nicht daran erinnert, dass man im Knast ist, und es einem erst mit dem Gitterschatten an der Decke klar wird, dass man nur acht Quadratmeter Platz hat, um mal auf und ab zu laufen, und der Puls jagt schlagartig hoch: Das war so ein Moment. Ich selbst hätte es wohl noch eine Weile ausgehalten, unschuldig eingebuchtet zu sein, aber das Wissen, dass draußen Menschen verzweifeln, nicht verstehen, wie die Schwetzinger Kripo plus die Mannheimer Staatsanwaltschaft plus ein
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