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Recht und Gerechtigkeit: Ein Märchen aus der Provinz (German Edition)

Recht und Gerechtigkeit: Ein Märchen aus der Provinz (German Edition)

Titel: Recht und Gerechtigkeit: Ein Märchen aus der Provinz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Kachelmann , Miriam Kachelmann
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Schänzerkollegen zu haben. René war inzwischen zum Freund geworden, und erst an diesem 29. Juli 2010, als er mir sagte, dass er die Revision nun zurückziehen werde, erfuhr ich, dass er sie eigentlich nur meinetwegen eingelegt hatte.
    Beim Töpfeeinsammeln kam der stellvertretende Anstaltsleiter und bot an, Erinnerungsfotos zu machen. Ich willigte ein unter der Prämisse, die Fotos nach der Entlassung zu bekommen, aber obwohl es einen Zeugen für dieses Versprechen gibt, war der Mannheimer Justiz auch hier nicht zu trauen: Mit Müh und Not gab es später eines der Bilder mit der Maßgabe, es nicht zu veröffentlichen. Darum war es gerade nicht gegangen, Herr Manfred März, es ging darum, dass ich die Fotos bekomme. Wo sind sie?
    Plötzlich war nicht nur er, nein, auch alle anderen Beamten und selbst der rustikale U-Haft-Chef waren, man kann es nicht anders beschreiben, scheißfreundlich. Ich hatte schon im Knast nie ein Geheimnis daraus gemacht, was ich von der Auslegung von Justiz nach Mannheimer Gutsherrenart hielt, und weil es wahrscheinlich einen direkten Draht vom Knast in Richtung Staatsanwaltschaft und Richter gibt, mag auch meine offene Rede ein Grund für den Irrsinn gewesen sein, den diese angeblich der Neutralität verpflichteten Behörden in meinem Fall produziert haben. Ich habe mutmaßlich schon dem einen oder anderen Kumpel beim Umschluss gesagt, dass ich durchaus erreichen möchte, dass die allmachtversessenen Richter Seidlingbockbültmann mit ihren pflichtvergessenen Stichwortgebern Gattneroltroggegrossmannmägerle (das sind Oberstaatsanwalt Oskar Gattner, Staatsanwalt Lars-Torben Oltrogge, Staatsanwalt und Pressesprecher der Mannheimer Staatsanwaltschaft Andreas Grossmann, Staatsanwalt Werner Mägerle) den Tag nicht vergessen sollen, an dem sie einen Unschuldigen eingesperrt und ihn dann einem medialen Zirkusprozess ausgesetzt haben.
    Nun wollten mich die Schergen Mannheims am 29. Juli 2010 schnell loswerden, aber genau darauf hatte ich keine Lust: schnell abzuhauen. Ich sah inzwischen auf den Nachrichtensendern, dass sich vor dem Tor Ü-Wagen mit einer Horde von Journalisten bereit ge macht hatten, um nach ihrer Vorverurteilungsorgie nun Heuchelworte der Überraschung und womöglich Anteilnahme ins Mikrofon oder in die Tastatur abzusondern. Dann doch lieber noch ein bisschen im Knast bleiben und sich anständig von allen Kumpels verabschieden, die Essensvorräte verteilen und eben fernsehen.
    »Er könnte jeden Augenblick durch diese Tür kommen«, war ein gern gesendeter Satz, und wir haben uns sehr darüber amüsiert, wie die versammelten Seifensender Zeit damit verbraten haben, eine Tür zu filmen und die Leere mit sinnlosem Gebrabbel zu füllen. Es war mein erster selbstbestimmter Moment seit über hundertzweiunddreißig Tagen. Der Knast ist eine Katastrophe, aber er ist auch eine geschützte Werkstatt. Hundertzweiunddreißig Tage lang hatte ich zu ignorieren versucht, was es an juristischer und medialer Vorverurteilung gab. Obwohl ich damals höchstens ahnte, was die Medien in der Zwischenzeit mit mir gemacht hatten, hatte ich keine Lust, früher als notwendig an diesem Tag denen zu begegnen, die das mit mir veranstaltet hatten.
    Ich blieb knapp zwei Stunden länger im Knast als notwendig. Ich war in verschiedenen Zellen zu Gast und habe mich von allen verabschiedet, die mich durch die letzten Wochen und Monate näher begleitet hatten. Der 29. Juli 2010 war auch Einkaufstag, ich hatte wieder beim Zulieferer Sachen bestellt (danke für die professionelle Arbeit, liebe Firma Massak), die ich gerne den Kumpels überlassen hätte, aber ein entlassener Häftling darf nichts mehr einkaufen, er ist ab dem Moment, an dem die entsprechende Instanz die richtigen Worte schreibt, nicht mehr im Knast. Um elf Uhr achtzehn legte die Justizangestellte U. in Karlsruhe fünfzehn Seiten ins Fax und gab die Faxnummer ein mit dem schlichten Satz auf dem Deckblatt: »Anliegende Senatsentscheidung erhalten Sie zur Kenntnis.« Auf der zweiten Seite dann in ziemlich großen Buchstaben »Beschluss vom 29. Juli 2010« und dann die Sätze, die nicht nur Staatsanwalt Oltrogge und seinen Kollegen den Tag versaut haben werden:
    »Auf die Beschwerde des Angeklagten wird der Beschluss des Landgerichts – 5. Große Strafkammer – Mannheim vom 1. Juli 2010 aufgehoben.
    Der Haftbefehl des Amtsgerichts Mannheim vom 25. Februar 2010 wird aufgehoben.
    Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Angeklagten inzwischen

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