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Rechtsdruck

Rechtsdruck

Titel: Rechtsdruck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias P. Gibert
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noch einmal
aufgefordert werden wollte, ihr seinen Tag zu schildern, und Maria Zeislinger kam
dieser nicht ausgesprochenen Bitte umgehend nach.
    »Komm, erzähl schon. Wobei ich glaube, dass ich schon weiß, wo du hingerufen
wurdest. Die Sache mit der türkischen Familie läuft schon den ganzen Tag im Radio.«
    »Stimmt, um die geht es. Um eine tote türkische Familie, einen Sohn
und Bruder, der vielleicht der Täter ist, vielleicht aber auch nicht, der aber auf
jeden Fall im Koma liegt und vermutlich nie mehr aufwachen wird, wenn er nicht schon
längst gestorben ist. Es geht weiterhin um eine große Menge Geld, die der Vater
auf Konten gehortet hatte, jedoch nicht unter seinem, sondern unter falschem Namen.
Außerdem geht es um politische Einflussnahme, der sich mein Chef beugt, obwohl er
es eigentlich besser wissen sollte.«
    »Wow«, machte Maria, hob erstaunt den Kopf und sah ihm tief in die
Augen. »Das klingt verflixt noch mal genau so wie das, was Erich mir in früheren
Jahren zu berichten wusste, wenn er von Parteitagen nach Hause kam.«
    Wenn Lenz eine passende Antwort parat gehabt hätte, so schluckte er
sie zumindest für den Moment hinunter.
    »Bekomme ich einen Kaffee?«, fragte er stattdessen.
    »Alles, was du willst.«
     
    Eine Viertelstunde später saß der Hauptkommissar auf dem roten Sofa,
das Maria schon gekauft hatte, als die beiden noch relativ beengt in Lenz’ ehemaliger
Wohnung gelebt hatten. Ihr Kopf lag in seinem Schoß, ihre Beine baumelten über der
Lehne.
    »Du bist nicht davon überzeugt, dass der Sohn der Täter ist?«, wollte
sie zweifelnd von ihm wissen.
    Der Polizist stellte den Kaffeebecher vor sich auf dem Tisch ab und
liebkoste mit seiner rechten Hand zärtlich ihre Brust. »Nein, ganz und gar nicht.
Es gibt viele Indizien, die dagegen sprechen.«
    »Du meinst das Geld, das ihr gefunden habt?«
    »Das ist eins davon, ja.«
    »Und weiter?«
    Er dachte eine Weile nach. »Die Art, wie die Morde passiert sind. Das
macht einen eher militärisch geprägten Eindruck und wirkt auf mich nicht wie eine
Tat im Familienumfeld. Obwohl …«, er griff nach der Kaffeetasse, »… der Mann hat
der türkischen Armee in irgendeiner Spezialabteilung gedient. Wir wissen noch nicht
genau, was er da gemacht und vielleicht auch gelernt hat, doch das könnte auch ein
Indiz in die andere Richtung sein.«
    »Dafür, dass er es gewesen ist?«
    Lenz nickte. »Ja. Dafür, dass er es gewesen ist. Aber da sind so viele
andere Dinge, die mir durch den Kopf gehen. Zum Beispiel hat eine seiner Schwestern,
die übrigens mit ihrer Freundin zusammenlebt, etwas davon gesagt, dass bei ihrem
Vater nicht alles so war, wie es von außen den Anschein hatte, oder so ähnlich.
Dazu müssen wir sie auf jeden Fall noch mal befragen.«
    »Das habt ihr nicht?«
    Lenz erzählte seiner Freundin in kurzen, aber sehr eindrücklichen Worten,
was sich nach Sükren Bilgins Bemerkung in der Wohnung zugetragen, und wie unwohl
er sich nach dem Eintreffen der jüngsten Tochter von Gökhan und Demet Bilgin gefühlt
hatte.
    »Danach hatte keiner von uns beiden mehr die nötige Lust, die Frauen
nach den Hintergründen dieser Bemerkung zu befragen. Aber, wie gesagt, das holen
wir garantiert nach.«
    Maria Zeislinger drehte den Kopf und streichelte ihm über das Bein.
»Es fällt mir nicht leicht, dir das zu sagen, Paul, aber du wirkst auf mich gerade
ganz, ganz niedergeschlagen. Stimmt das, oder täusche ich mich?«
    Wieder dachte er ein paar Sekunden nach. »Nein, das stimmt. Aber wenn
man von seinem eigenen Chef in einer Mordsache zurückgepfiffen wird, kann man sich
schon mal so fühlen, was meinst du?«
    »Das meine ich auf jeden Fall. Weißt du denn, wer da Druck ausgeübt
hat?«
    »Nein, und es interessiert mich auch überhaupt nicht. Wichtig ist,
dass es passiert ist. Nach Aussage von meinem Boss hat Oberstaatsanwalt Marnet es
so angeordnet, aber der ist ja auch nur ein kleines Licht, wenn man es genau betrachtet.«
    »Der Marnet«, echote Maria, die zu Zeiten ihrer gelebten Ehe mit OB
Erich Zeislinger eine lose Bekanntschaft mit der damals noch intakten Familie von
Oberstaatsanwalt Marnet verbunden hatte. »Der Marnet ist ein Karrierist und Heuchler,
wie er im Buche steht. Der wollte schon mit 30 in Karlsruhe gelandet sein, was leider
nicht geklappt hat, aber dieses Ziel verfolgt er immer noch. Als seine Frau krank
geworden ist, hat er sie ohne rot zu werden sitzen gelassen.«
    »Dass die beiden sich getrennt haben«, erwiderte der

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