Rechtsdruck
Hauptkommissar
perplex, »wusste ich, aber nicht, dass seine Frau krank ist.«
»Sie hat Multiple Sklerose, und Franz Marnet ist ein Monstrumsarschloch.
Ich habe schon seit ein paar Jahren keinen Kontakt mehr zu den beiden, aber wenn
ich mich recht erinnere, hat sie gearbeitet, als er noch studiert hat. Dann hat
sie die Kinder fast allein großgezogen, damit er sich seiner Karriere widmen konnte.
Der Typ widert mich an.«
»Warum ist der Kontakt eingeschlafen?«
»Den Kontakt gab es damals nur, weil Erich es so wollte. Ich konnte
weder mit ihm noch mit ihr jemals richtig viel anfangen, und als mein Göttergatte
sich einmal über den Oberstaatsanwalt ein wenig geärgert hatte, wurde er kurzerhand
von allen Einladungslisten gestrichen. Und nach so was ist noch jeder Kontakt eingeschlafen,
oder?«
»Kein Widerspruch«, gab Lenz zurück. »Aber wie gesagt, Marnet ist ganz
sicher nur das ausführende Organ, und nicht der Entscheider.«
»Aber …« Weiter kam sie nicht mit ihrer Entgegnung, weil ihr Mobiltelefon
mit einer Melodie auf sich aufmerksam machte.
»Lass es klingeln«, bat er, war sich jedoch über die Aussichtslosigkeit
seines Wunsches im Klaren. Maria sprang auf, sah ihn mit um Entschuldigung bittendem
Augenaufschlag an, und jagte in die Küche, wo das Telefon auf dem Tisch lag.
»Ja, Maria Zeislinger«, hörte Lenz sie sagen, gefolgt von einem kleinen
Freudenausbruch.
»Mensch, von dir habe ich ja ewig nichts gehört, Astrid«, kam es gedämpft
aus dem Nebenraum. Dann wurde die Stimme von Maria lauter, und einen Augenblick
später stand sie mit dem Gerät in der Hand vor Lenz und fragte gestikulierend bei
ihm nach, ob es in Ordnung sei, wenn sie das Telefonat führen würde. Der Kommissar
nickte, stand auf, ging ins Schlafzimmer, wo er sich aufs Bett legte und keine Minute
später eingeschlafen war. Schon in der ersten Phase träumte er den öfter vorkommenden
Traum, dass Maria und er in blau-weiß gestreifter Sträflingskleidung und mit Blechgeschirr
in den gefesselten Händen an einem roh gehobelten Tisch irgendwo in einem Lager
in Wisconsin saßen, und Maria ständig mit weinerlicher Stimme wissen wollte, was
sie beiden denn dem armen Erich Zeislinger angetan hätten, dass er sich so furchtbar
an ihnen rächen würde. Kurze Zeit später träumte er, dass sich Maria an seiner Hose
zu schaffen machte, und streckte sich dabei wohlig brummend. Dann öffnete er ein
Auge und stellte überrascht fest, dass dieser Teil des Traumes sehr real und sie
schon mit ihrem Mund in der Nähe seiner erogensten Zone angekommen war.
»Maria!«, murmelte er tadelnd, doch sie ließ sich davon überhaupt nicht
beirren.
»Ruhe da oben«, nuschelte sie glucksend zurück und hatte auch schon
gefunden, wonach sie gesucht hatte.
*
»Wie lange habe ich geschlafen, bevor du über mich hergefallen bist?«,
fragte er in die Dunkelheit.
Maria knipste die kleine Lampe neben dem Bett an und kniff die Augen
wegen der Helligkeit zusammen. »Knapp eine Stunde.«
»Und so lange hast du telefoniert?«
»Die ganze Zeit. Die Anruferin war Astrid, eine ganz alte Freundin,
die ich noch von der Schule kenne. Und für die es, wie sie mir erzählt hat, gar
nicht so einfach war, meine neue Mobilnummer herauszufinden. Immerhin wusste sie,
dass Erich und ich uns getrennt haben.«
»Soso, ihr habt euch also getrennt«, echote Lenz süffisant.
»Entschuldigung, Herr Kommissar, dass ich mich nicht ganz präzise ausgedrückt
habe; natürlich habe ich meinen Exmann wegen eines anderen verlassen.«
»Wollte deine Freundin etwas Bestimmtes?«
Maria, die nichts trug außer einem verrutschten, schwarzen BH, zog
mit den Füßen die Bettdecke nach oben und kuschelte sich ein.
»So ist’s besser«, erklärte sie zufrieden, bevor sie auf seine Frage
einging. »Doch, doch, sie wollte sogar etwas ganz Bestimmtes von mir. Sie wollte
mir erzählen, dass es seit heute Mittag einen neuen Wettbewerber für Erichs Rathausstuhl
gibt. Und noch dazu einen, den er besser ernst nehmen sollte.«
»Von wem sprichst du?«, hakte er neugierig nach.
»Von Justus Gebauer.«
»Gebauer? Der Justus Gebauer, der damals den Behinderten …?«
»Genau der Gebauer.«
»Aber der ist doch seit dieser Sache so was von weg vom Fenster«, setzte
der Kommissar irritiert hinzu.
»Scheinbar nicht mehr. Wie es aussieht, hat er sich selbst wieder ins
Licht der Öffentlichkeit gerückt.«
Lenz sah sie mit blankem Unverständnis an.
»Gut, also von ganz vorne: Astrid
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