Rechtsdruck
möchte ich mit meinem Comeback erreichen. Ich möchte wieder das tun, was
ich über viele Jahre für die Menschen in diesem Land getan habe, nämlich für sie
da sein, mich um sie kümmern, mich für ihre Belange einsetzen. Ja, ich bin vorbestraft,
ja, ich habe Schuld auf mich geladen, und ja, ich bete jeden Tag zu Gott, dass er
mir verzeihen möge, genau wie ich übrigens Andreas Bärsch aus tiefstem Herzen um
Verzeihung gebeten habe.«
Er atmete tief durch, als ob ihm eine Last von den Schultern genommen
worden sei. »Ich bin sicher, dass es dort draußen Menschen gibt, die sagen, der
Gebauer hat nichts mehr in der Politik zu suchen; der Gebauer darf nie mehr ein
öffentliches Amt bekleiden. All denen kann ich nur mit einem Bibelzitat aus dem
Johannesevangelium antworten: Wer von euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten
Stein.«
»Ja, auch da muss ich Ihnen recht geben, Herr Dr. Gebauer. Was für
einen Cem Özdemir im Bund gilt, das muss auch für einen verdienten hessischen Politiker
gelten.«
Der Journalist nahm Bezug auf den Fall des aktuellen Bundesvorsitzenden
einer anderen deutschen Partei, der nach seinem spektakulären Rücktritt einige Jahre
zuvor wegen der Annahme eines Privatkredites von einem Lobbyisten und der unzulässigen
Verwendung von Bonusmeilen nach ein paar Ehrenrunden im Europäischen Parlament eine
beeindruckende politische Rolle rückwärts hingelegt hatte.
»Nun«, entgegnete der Jurist mit staatstragendem Pathos in der Stimme,
»ich möchte mich hier nicht zum Richter über einen Menschen erheben, dessen Fall
ich nur aus den Medien kenne, aber wenn ich mich recht erinnere, hatte diese Causa
doch eine ganz andere Dimension als die Dinge, die mir seinerzeit vorgeworfen wurden.«
»Das ist unbestritten wahr«, stimmte der Chefredakteur zu, um gleich
seine nächste Frage anzuhängen. »Sie sind als Hardliner bekannt, Herr Dr. Gebauer,
als harter Hund, wie man hier in Nordhessen auch sagt, und Sie haben nie ein Blatt
vor den Mund genommen. Worauf dürfen sich die Bürger nach Ihrem erfolgreichen Comeback
einstellen? Wofür steht der neue Justus Gebauer?«
Der Jurist schmunzelte berechnend. »Nun ja, ein harter Hund … Das klingt
in der heutigen Zeit, in der in unserem Land leider viele Alt-68er das Zepter des
Handelns in der Hand haben, eher nach einem Vorwurf denn einem Kompliment. Aber
ich gebe Ihnen recht, verbiegen lassen habe ich mich in meiner gesamten politischen
Laufbahn nie. Demzufolge können die Bürger in Kassel und Hessen weiterhin von mir
klare Worte erwarten, wenn diese angebracht sind.«
»Klare Kante also?«
»Ja, eindeutig klare Kante«, erwiderte Gebauer, und sein Gesichtsausdruck
änderte sich erneut, diesmal wurde so etwas wie Wut sichtbar.
»Beispielsweise weigere ich mich zu tolerieren, dass ein junger Mann
mit Migrationshintergrund seine gesamte Familie auslöscht, so wie es in der letzten
Nacht wohl offensichtlich in der Nordstadt geschehen ist. Vater, Mutter und Bruder,
der nicht einmal 13 Jahre alt war, wurden, wenn man den Berichten der Ermittlungsbehörden
Glauben schenken kann, und ich habe überhaupt keinen Grund, daran zu zweifeln, von
ihm nach einem eher harmlosen Streit, wie er in jeder Familie vorkommen kann, rücksichtslos,
brutal und völlig kaltblütig erschossen. Das, sage ich, sind die Folgen und Spätfolgen
einer völlig verfehlten Integrationspolitik, gegen die ich immer Stellung bezogen
habe, und die ich, sollten mir die Bürger das notwendige Mandat übertragen, grundlegend
revidieren werde. Ich kann und will es zum Beispiel nicht zulassen, dass es in Kassel
oder anderswo in Hessen Ghettos gibt, in denen Menschen leben, die sich den Werten
und Überzeugungen, welche wir uns in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg sehr
hart erarbeiten mussten, grundlegend entziehen. Diese Parallelgesellschaften müssen
mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln zerschlagen werden.« Seinen letzten
Satz hatte Gebauer mit erhobenem Zeigefinger untermalt.
»Und«, fuhr er ruhig, souverän und rhetorisch geschliffen fort, »bevor
mich jetzt wieder irgendwelche Sozialromantiker in die rechte Ecke abdrängen sollten,
will ich denen gleich Folgendes ins Stammbuch schreiben: Wir, und ich hoffe, dass
ich zu gegebener Zeit wieder zu den Mandats- und Amtsträgern gehören werde, von
denen ich hier spreche, sind für die Bürger dieser Stadt und dieses Landes verantwortlich.
Wir sind für das Wohlergehen und die Zukunft der Menschen verantwortlich, aber wir
sind
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