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Rechtsdruck

Rechtsdruck

Titel: Rechtsdruck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias P. Gibert
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hinter den neuen Zielen und Werten verbirgt, von denen
Sie eben etwas nebulös gesprochen haben.«
    Der Jurist nahm einen weiteren Schluck Wasser. Dann holte er tief Luft
und sah ernst in die Runde. »Wie manch anderer Mitbürger der Stadt Kassel bin ich
der Meinung, dass vieles, was seit Jahren in unserer Stadt passiert, nicht mehr
länger tragbar ist. Ich will Sie jetzt nicht mit irgendwelchen Schwimmbadneubauten
oder vielleicht überflüssigen Uferpromenaden nerven, zu denen längst alles mehrfach
gesagt wurde, und ich will auch nicht auf dem erbärmlichen Erscheinungsbild herumreiten,
das die Innenstadt seit vielen Jahren abgibt. Das sind nur die Symptome einer völlig
verfehlten Kommunalpolitik, und, diese Kritik kann ich meiner ehemaligen Partei
nicht ersparen, einer verfehlten Politik im Land und im Bund. Mir geht es darum,
die Ursachen dafür zu beseitigen. Ursachen, die nach meinem Dafürhalten völlig neue
Wege bei der Bewältigung der vielfältigen Probleme erfordern. Und es geht mir darum,
seit Langem überfällige, aber dringend notwendige Schritte …«
    »Entschuldigen Sie, Herr Gebauer, dass ich Sie unterbreche«, warf der
junge Journalist dazwischen, »aber diese Verlautbarungen, dieses Politikersprech
kennen wir alle hier im Raum zur Genüge. Haben Sie es nicht etwas greifbarer?«
    »Greifbarer?«, echote Gebauer. »Sie wollen es greifbarer? Gut, machen
wir es greifbarer.« Wieder der Griff zum Wasserglas. Aber demonstrativ ruhig ausgeführt,
fast arrogant entspannt.
    »Wie vielen Bürgern dieser Stadt geht es mir gegen den Strich, mich
von jugendlichen Migranten auf der Straße anpöbeln zu lassen, wenn ich zur falschen
Zeit im falschen Stadtteil unterwegs bin, das nach meiner Meinung ohnehin eher die
Bezeichnung Ghetto verdient hätte. Es geht mir weiterhin auf die Nerven, wenn ich
auf der gleichen Straße Burka tragende Frauen sehe, die drei Meter hinter ihren
Männern hergehen müssen.«
    Durch den Raum ging ein leichtes Raunen, doch Gebauer war keineswegs
fertig mit seinen Ausführungen.
    »Es kann weiterhin nicht angehen, dass es in der Stadt Viertel gibt,
in denen man sich mehr an Istanbul als an Kassel erinnert fühlt, meine Damen und
Herren. Und ich werde, sollten mir die Bürger der Stadt ihr Vertrauen schenken und
mich mit ihren Stimmen unterstützen, einen großen Teil meiner Energie dafür einsetzen,
dass diesen Auswüchsen begegnet wird. Oder, um es ganz deutlich zu sagen: Damit
muss Schluss sein!«
    Nun entstand unter den Reportern nahezu ein Tumult. Jeder Einzelne
reckte mindestens einen Arm in die Luft und rief dabei etwas in den Raum. Frank
Weiler, der leicht versetzt in Gebauers Rücken stand, beugte sich zu ihm hinunter.
    »Du bist gnadenlos gut heute«, flüsterte er dem Juristen ins Ohr, »mach
weiter so.«
    Der nickte kurz und gab einem jungen Mädchen, das mit einem langen
Mikrofongalgen in der Hand in einer Ecke des Raumes stand, ein Zeichen, worauf sie
sich in Bewegung setzte und das Mikrofon einer älteren, grauhaarigen Frau in der
dritten Reihe vor die Nase hielt, die als Berichterstatterin für eine linke Tageszeitung
dort saß.
    »Bitte, meine Damen und Herren«, rief Gebauer. »Bitte beruhigen Sie
sich. Ich garantiere Ihnen, dass ich diese Pressekonferenz nicht verlassen werde,
so lange noch einer von Ihnen eine Frage an mich hat.« Damit deutete er auf die
Frau, die sich nun ein wenig aufrichtete.
    »Sie sind dafür bekannt, dass Sie aus Ihrem Herzen nie eine Mördergrube
gemacht haben, Herr Gebauer, aber das, was ich soeben von Ihnen vernommen habe,
hat mich auch vor diesem Hintergrund doch sehr überrascht, weswegen ich, um Missverständnissen
vorzubeugen, lieber gleich nachfrage. Wollen Sie sich, neben Ihrer Kandidatur zum
Kasseler OB, zu einem neuen Saubermann am rechten Rand des politischen Spektrums
erheben? Und glauben Sie ernsthaft, dass die Menschen dieser politischen Rattenfängerei
auf den Leim gehen werden?«
    Wieder gab es lautes Gemurmel.
    »Nun«, setzte Gebauer zu einer Erwiderung an, wartete dann aber, bis
etwas Ruhe eingekehrt war. »Zunächst muss ich Ihrem Vorwurf der politischen Rattenfängerei
vehement widersprechen. Es geht bei der Bewältigung der Probleme unseres Landes
doch längst nicht mehr um irgendwelche Ideologien. Es geht auch längst nicht mehr
um die Frage, ob eine eher rechte oder eine eher linke politische Ausrichtung für
die Erhaltung unserer mitteleuropäischen Werte und Traditionen die richtige Wahl
ist. Es geht vielmehr darum,

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