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Rechtsdruck

Rechtsdruck

Titel: Rechtsdruck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias P. Gibert
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dass wir gewisse Auswüchse stoppen und darüber hinaus
unbedingt zurückdrängen müssen, die unser Land an die Grenzen seiner ökonomischen
und gesellschaftlichen Möglichkeiten gebracht haben.«
    »Was für Auswüchse meinen Sie?«, rief ein Mann aus dem hinteren Teil
des Raumes dazwischen.
    »Das will ich Ihnen sagen, und ich breche es auch gerne auf ein paar
Kernpunkte herunter, meine Damen und Herren.«
    »Hoffentlich heute noch«, murmelte einer der Journalisten ebenso genervt
wie deutlich vernehmbar.
    »Wir müssen sowohl die schleichende wie die offene Islamisierung in
Kassel, in Hessen und der Bundesrepublik stoppen. Wir müssen alles tun, um die Ghettoisierung
und Fundamentalisierung innerhalb der islamisch geprägten Bevölkerungsgruppen aufzuhalten
und Schritt für Schritt zurückzudrängen. So, wie die Situation sich im Augenblick
darstellt, kann sie nach meiner Meinung definitiv nicht bleiben. Wir müssen dieser
Entwicklung entschlossen entgegentreten; daran führt kein Weg vorbei, wenn unsere
Kinder und Enkelkinder nicht in 40 oder 50 Jahren Einwohner einer islamischen Republik
Deutschland sein wollen.«
    Nun war die Bombe geplatzt.
    Der größte Teil der Medienvertreter füllte die Notizbücher, sprach
aufgeregt mit den Kollegen oder in ein Diktiergerät, andere schüttelten einfach
nur den Kopf. Eine Anzahl weiterer bemühte sich Fragen zu stellen, was jedoch im
allgemeinen Lärm unterging. So verstrich nahezu eine gefühlte Ewigkeit, während
der Justus Gebauer aufrecht in die surrenden und klickenden Kameras lächelte. Ein
nicht mit den Ereignissen der letzten Minuten vertrauter Mensch würde Gebauers unschuldigem
Gesichtsausdruck nach zu urteilen eher einen Filmstar oder einen honorigen Wissenschaftler
in ihm sehen, der etwas Weltbewegendes erschaffen oder erreicht haben könnte. Aber
Justus Gebauer hatte nichts dergleichen getan. Er hatte der Öffentlichkeit einfach
mehr oder weniger mitgeteilt, dass er auf dem Weg war, sich als deutsche Ausgabe
eines Jörg Haider oder eines Geert Wilders zu empfehlen. Als derjenige, der über
langjährige politische Erfahrung verfügte, der intelligent und eloquent aufzutreten
vermochte. Und der es zudem als Erster öffentlich wagte, extreme rechte Positionen
zu vertreten und damit den Versuch unternahm, als Oberbürgermeister in das Rathaus
eines deutschen Oberzentrums einzuziehen.
    Eine gute Stunde später waren tatsächlich alle Fragen der Journalisten
gestellt. Gebauer hatte geduldig bis zum Schluss ausgeharrt und auch noch die allerletzte
der meist provozierend dargebrachten Nachfragen beantwortet. Und noch während er
aufstand und sich von den wenigen im Saal verbliebenen Pressevertretern verabschiedete,
liefen bereits die ersten Eilmeldungen über die Ticker der Nachrichtenagenturen.
Das dritte Programm des Hessischen Rundfunks unterbrach sein laufendes Programm
und sendete eine ausführliche Aufzeichnung der Pressekonferenz.
     
    Keine 300 Meter Luftlinie davon entfernt saßen mehrere Juristen in
einem Hinterzimmer des Gerichtsgebäudes und betrachteten die Bilder auf einem modernen
Flachbildfernseher. Unter ihnen waren auch Ewald Limbourg und Herbert Basthoff.
Der Richter am Landgericht Kassel hielt, wie so häufig, eine dunkle Zigarre in der
Hand, die langsam aufsteigenden Rauch produzierte. Ewald Limbourg, den seit vielen
Jahren eine enge, nach dem Tod seines leiblichen Vaters ein paar Jahre zuvor noch
mehr gewachsene Freundschaft mit dem alten Juristen verband, drehte sich um und
sah Basthoff unsicher an. Der nickte ihm aufmunternd zu, hob die Zigarre und zog
genussvoll daran.
    »Jetzt dreht er durch, der Gebauer«, bemerkte er trocken, aber ohne
jeglichen Humor.
     
    Einen Straßenblock weiter davon entfernt, aber ebenso humorlos, verfolgten
zwei der drei Referenten des amtierenden Oberbürgermeisters Erich Zeislinger den
Auftritt des neuen Herausforderers ihres Chefs.
    »Ach du Scheiße«, murmelte der eine, stand auf, und schaltete das Gerät
aus, nachdem die Zusammenfassung der Pressekonferenz geendet hatte. »Wer sagt es
ihm? Du oder ich?«
    »Ich bin doch nicht bescheuert«, erwiderte der andere mit großer Vehemenz,
in der allerdings auch ein wenig Panik mitschwang. »Das machst du mal schön selbst.«

25
     
    Im gleichen Augenblick, in dem Hains Mobiltelefon sich wieder im Netz
eingewählt hatte, erklang der Anrufton. Der Oberkommissar trat zur Seite, nahm das
Gespräch an und ging danach ein paar Schritte zurück unter ein Vordach, um

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