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Reckless - Lebendige Schatten

Reckless - Lebendige Schatten

Titel: Reckless - Lebendige Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Funke
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letzten Taler hervorgebracht. Jacob schob die Hand in das zerschlissene Tuch und spürte Earlkings Karte zwischen den Fingern. Er konnte nicht widerstehen. Er zog sie heraus.
    Es hat sehr geschmerzt, oder? Und es wird mit jedem Mal schlimmer werden. Feen lieben den Schmerz, den sie Sterblichen zufügen können.
    Ich habe heute übrigens Deinen Bruder besucht.
    Fuchs blickte zu ihm herüber.
    »Von wem ist die Karte?« Sie gab sich Mühe, beiläufig zu klingen, aber Jacob sah, an wen sie dachte. Sie hatte das Lerchenwasser immer noch nicht vergessen. Dabei erinnerte er sich deutlicher an den Schmerz in ihren Augen als an Claras Küsse. Vielleicht hättest du ihr das längst sagen sollen, Jacob.
    Er schob Fuchs die Karte über den Tisch. Die Worte verblassten bereits, als sie danach griff.
    »Es ist ein Zauberding!« Fuchs drehte die Karte um. »Norebo Johann Earlking?«
    Der Schaffner kam durch den Wagen und rief die nächste Station aus.
    »Ja. Und er hat mir die Karte nicht in dieser Welt gegeben.« Jacob stand auf. Die andere Welt war plötzlich so nah, dass die Kleider um ihn herum wie Kostüme erschienen. Zylinder, Knöpfstiefel, berüschte Säume … Für einen Moment war er verloren zwischen den Welten, weder hier noch dort.
    »Was hat er mit Will zu tun?«
    Ja, was? Es klang nicht, als ginge es nur um ein paar Antiquitäten. Das Ganze gefiel Jacob nicht, aber der Spiegel war weit weg, und es konnten Wochen vergehen, bis er Will wiedersah. Falls er ihn wiedersah.
    Ach, zum Teufel … er würde ihn wiedersehen.
    Fuchs hob die Karte an die Nase. Immer die Füchsin, selbst in der Menschenhaut. »Silber. Und ein Geruch, den ich nicht kenne.« Sie gab ihm die Karte zurück und griff nach ihrem Mantel. Jacob war bei ihr gewesen, als sie ihn gekauft hatte. Der Stoff hatte fast dieselbe Farbe wie ihr Fell. »Der Geruch gefällt mir nicht. Sei vorsichtig.«
    Die anderen Reisenden schoben sie auf die Zugtür zu. Der Bahnsteig erstickte im Zugdampf, aber vom Hafen her wehte der Wind den Geruch von Salz und Teer über die Gleise. Kofferträger. Droschkenfahrer. Zwei Träger mit hölzernen Rückengestellen, die auf die beiden Zwerge warteten, die hinter ihnen im Speisewagen gesessen hatten. Es war nicht angenehm, sich durch einen Bahnhof zu drängen, wenn man kaum einen Meter maß.
    Sie nahmen eine der Droschken, die unten vor dem Eingang warteten. Fuchs stieg an dem Platz aus, an dem die Schiffsausstatter ihre Läden hatten, aber Jacob wies den Kutscher an, ihn am Hafen abzusetzen. Sie konnten nur hoffen, dass Dunbar den Kopf des Hexenschlächters am richtigen Ort vermutete. Aber um das herauszufinden, musste er erst einmal einen Weg finden, an Bord des Königlichen Flaggschiffs zu kommen.

22
FLANKEN AUS EISEN
    D a lagen sie, Schiff an Schiff. Das Knarren feuchter Taue mischte sich mit dem Kreischen der Möwen und den Stimmen der Männer, die die Schiffe zum Auslaufen fertig machten. Keine Flotte hinter dem Spiegel konnte sich mit der Albions messen. Die Zuversicht stand jedem Matrosen auf der Stirn geschrieben, der seinen Seesack die schwankenden Holzbrücken hinauftrug, und den Offizieren, die an der Reling lehnten, über sich die Fahne mit dem gekrönten Drachen. Albion machte nicht mal ein Geheimnis daraus, zu welchem Zweck seine Flotte auslief.
    Jacob hob eine Zeitung auf, die auf dem feuchten Hafenpflaster lag. Die Überschriften auf der Titelseite trieben Schnörkel um jeden Buchstaben, aber die Botschaft war ebenso deutlich wie die der Schlagzeilen seiner Welt.
    DIE KÖNIGLICHE FLOTTE LIEFERT WAFFEN FÜR FLANDERN
    Die Hoffnung im Kampf gegen die Goyl kommt aus den Fabriken Albions.
    Sie fühlten sich sehr sicher. Jeder wusste um die Angst der Goyl vor der See. Albion belieferte nicht nur Flandern mit Waffen. Seine Schiffe brachten sie auch in den Norden, wo sich eine Allianz gegen die Goyl bildete. Fast die gesamte Flotte fuhr inzwischen unter Dampf und Wind, und die Schusskraft ihrer Kanonen war berüchtigt, aber offenbar reichte Wilfred, dem Walross, das nicht.
    Jacob starrte auf die Zeichnung, die auf der nächsten Seite abgebildet war. Sie war kaum zu erkennen auf dem feuchten Papier. Sein Herz begann, so lächerlich schnell zu schlagen wie beim Anblick der Flugzeuge in der Goylfestung. Die Jagd, die er schon so lange aufgegeben hatte. Die Fährte, die sich stets im Nichts verlor. Und wieder stolperte er an einem Ort darüber, an dem er nie nach ihr gesucht hätte.
    DIE VULCAN AN IHREM DOCK IN

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