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Reckless - Lebendige Schatten

Reckless - Lebendige Schatten

Titel: Reckless - Lebendige Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Funke
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Heuschreckenbeine. Nerron versuchte, sie zu packen – und ließ fluchend los. Sein Arm war taub bis zur Schulter. Die Hand eines Zauberers – was hast du gedacht, Nerron?
    Die Finger hasteten auf Louis zu. Er stolperte zurück, aber hinter ihm kroch es auch schon eine Säule herab. Daumen und Zeigefinger. Der zweite Teil. Eaumbre hieb mit dem Säbel nach ihnen. Die Finger wichen der Klinge geschickt aus. Louis zerrte an seinem Dolch, doch er war so betrunken, dass er ihn kaum aus dem Gürtelhalfter bekam.
    »Verdammt!«, zeterte er. »Tut doch was!«
    Ein Handteil kroch ihm den Stiefel hinauf.
    »Greift sie Euch!«, fuhr Nerron ihn an. »Nun macht schon!«
    In Louis’ Adern floss nicht viel von Guismunds Blut. Dennoch, vielleicht reichte es als Schutz. Wenn nicht … Louis bückte sich schon. Die Finger strampelten wie die Beine eines unappetitlich großen Käfers, aber sie versetzten Louis keinen Schlag. Sieh an, das Prinzlein erwies sich tatsächlich als nützlich! Es kroch aus allen Richtungen auf ihn zu. Die beiden Handwurzeln robbten wie Schildkröten über die Fliesen.
    Louis fügte die Teile zusammen wie ein Kind, das mit einem grausigen Baukasten spielt. Das tote Fleisch haftete aneinander, als wäre es angewärmtes Wachs. Am Stumpf und den Fingernägeln klebte noch etwas Gold. Nerron lächelte. Ja, es war die richtige Hand.
    Der Täuschbeutel, den er unter der Jacke hervorzog, stammte aus einem Gebirge in Anatolien, aus dem man nur schwer lebend wieder herausfand, aber jeder Schatzjäger versuchte, wenigstens einen der Beutel zu besitzen. Was immer man hineinsteckte, verschwand und kam erst wieder zum Vorschein, wenn man tief hineingriff.
    Nerron hielt Louis den Beutel hin.
    Der Prinz wich zurück und verbarg die Hand hinter dem Rücken wie ein verzogenes Kind.
    »Nein«, sagte er, während er Nerron den Täuschbeutel aus den Fingern riss. »Warum solltest du sie haben? Die Hand ist schließlich zu mir gekommen!«
    Lelou konnte sein schadenfrohes Lächeln nicht verbergen, aber der Wassermann wechselte einen Blick mit Nerron, in dem die Erinnerung an Louis’ Beleidigungen wie ein Kiesel in einem Tümpel schwamm.
    Gut.
    Das würde ihm vielleicht ersparen, dem Prinzlein irgendwann mit eigenen Händen den Hals umdrehen zu müssen.

21
UNMÖGLICH
    W as würdest du ohne sie anfangen, Jacob? Fuchs sah aus dem Zugfenster, aber er war nicht sicher, ob ihr Blick den Feldern galt, die draußen vorbeizogen, oder ihrem eigenen Gesicht, das sich in der Scheibe spiegelte. Jacob ertappte sie oft dabei, dass sie ihre Menschengestalt wie die einer Fremden betrachtete.
    Fuchs lächelte ihm zu, als sie seinen Blick bemerkte, mit der Mischung aus Selbstsicherheit und Verlegenheit, die nur ihr Menschen-Ich kannte. Die Füchsin war nie verlegen.
    An den Fenstern trieb der Dampf der Lokomotive vorbei und ein befrackter Kellner balancierte Tassen und Teller durch den schwankenden Speisewagen. Es kam Jacob so vor, als hätte der Schmerz der vergangenen Nacht seine Sinne geschärft. Die Welt um ihn her schien so wunderbar und seltsam, wie er sie wahrgenommen hatte, als er zum allerersten Mal durch den Spiegel gekommen war. Er strich über die Teetasse, die der Kellner ihm gebracht hatte. Das weiße Porzellan war mit Elfen bemalt, die man in Albion immer noch auf vielen Blüten fand. Am Nebentisch stritten zwei Männer über die Nützlichkeit von Rieslingen in der Albischen Marine, und am Hals einer Frau schimmerten die Tränen von Selkie-Nixen, die man an der Südküste der Insel wie muschellose Perlen am Strand fand. Er liebte diese Welt immer noch, auch wenn sie ihn vielleicht das Leben kosten würde.
    Der Tee schmeckte trotz der Elfentasse so bitter, dass man ihn kaum herunterbekam, aber er half gegen die Müdigkeit, die der Biss der Motte hinterlassen hatte.
    Fuchs fasste nach seiner Hand. »Wie geht es dir? Wir sind gleich da.«
    Hinter den Hügeln tauchten die Dächer von Goldsmouth auf, Hafen der Königlichen Marine. Dahinter lag grau und weit das Meer. Es schien ruhiger als bei ihrer Überfahrt. Gut. Jacob konnte nicht glauben, dass er schon wieder auf ein Schiff musste.
    »Hast du noch Geld?«, flüsterte Fuchs über den Tisch. »Oder hast du alles für die Blutscherbe ausgegeben?«
    Jacob kannte einen Schiffsausstatter, der Marineuniformen verkaufte, aber sie würden nicht billig sein, und das Goldtuch wurde immer unzuverlässiger. Sie hätten fast die Zugkarten nicht bezahlen können, so zögerlich hatte es den

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