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Reckless - Lebendige Schatten

Reckless - Lebendige Schatten

Titel: Reckless - Lebendige Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Funke
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Papier zerfetzen.
    Cunningham blickte Jacob nach, als er sich verabschiedete, aber Brunel hatte sich wieder umgewandt. Der neue Zauberer Albions.
    Erleichterung und Enttäuschung. Eine alte Hoffnung, fast vergessen. Jacob sah kaum, wo er hinging. Fässer, Taue, Proviantkisten … alles um ihn herum verschwamm wie sein Gesicht auf dem dunklen Glas des Spiegels. ›Sieh dir das an, Jacob. Diese Brücke ist so schwerelos und vollkommen wie das Netz einer Spinne, aber sie ist aus Eisen.‹ Erinnerte er sich überhaupt noch daran, wie sein Vater ausgesehen hatte? Er erinnerte sich an seine Stimme, seine Hände, die ihn auf den Schreibtisch gehoben hatten, damit er die Flugzeugmodelle berühren konnte, die darüber hingen …
    »Jacob!«
    Jemand griff nach seinem Arm. Fuchs.
    »Der Ausstatter wollte ein Vermögen.« Sie blickte unauffällig zu den Matrosen hinüber, die Kohlesäcke zur Ladeluke der TITANIA trugen. »Es hat nur für eine Uniform gereicht. Hast du herausgefunden, wie wir an Bord kommen?«
    Verdammt. Nichts hatte er herausgefunden. In Erinnerungen hatte er sich verloren und darüber vergessen, dass er bald keine Zukunft mehr hatte.
    »Was ist mit dir?« Fuchs sah ihn besorgt an. »Ist etwas passiert?«
    »Nein. Nichts.« Das war sogar die Wahrheit. Nichts war passiert. Er hatte einen Geist gesehen, denselben Geist, dem er in seinen Träumen nachstolperte. Es wurde Zeit, nicht nur seine Mutter, sondern auch seinen Vater zu begraben. Er hatte geglaubt, er hätte es längst getan.
    Er nahm Fuchs das Bündel mit der Uniform aus der Hand. Ein paar Matrosen starrten sie so unverhohlen an, dass Jacob ihnen einen scharfen Blick zuwarf. »Wie willst du an Bord kommen?«
    Fuchs zuckte die Schultern. »Ich lass die Füchsin einen Weg finden.«
    »Das ist zu gefährlich!«
    »Mister Reckless?«
    Jacob wandte sich um. Für einen Augenblick hatte er Brunels schmales Gesicht erwartet, aber es war Cunningham, der hinter ihm stand.
    Der Offizier verbeugte sich steif vor Fuchs und bedachte Jacob mit einem leicht verlegenen Lächeln. »Wir … ehm … laufen erst in einer Stunde aus. Ich würde Sie zu gern unserem Kapitän vorstellen. Ich bin sicher, er würde eine Schilderung Ihrer Abenteuer äußerst interessant finden.«
    Jacob hatte die höfliche Ablehnung schon auf der Zunge, aber Fuchs kam ihm zuvor. »Auf welchem Schiff dienen Sie, Mister Cunningham?«
    Cunningham wies hinter sich. »Auf der TITANIA. Wir begleiten einen Waffentransport nach Flandern. Wir laufen bei Sonnenuntergang aus.«
    Fuchs schenkte Cunningham ihr schönstes Lächeln. »Es wird uns eine Freude sein«, sagte sie, während sie Jacob das Paket mit der Uniform aus der Hand nahm und es unauffällig hinter dem Rücken verbarg.
    Cunninghams bärtiges Gesicht verklärte sich vor Entzücken, und Jacob entschuldigte sich im Geiste bei allen Reportern, die er je für die Lügen und Übertreibungen verflucht hatte, die sie über ihn zu Papier gebracht hatten.
    »Sicher«, sagte er. »Wir haben keine Eile. Ich hätte sogar nicht übel Lust, die ganze Reise mitzumachen. Ich liebe Seereisen.« Er hatte nie eine dreistere Lüge über die Lippen gebracht.
    Cunningham schien sein Glück kaum fassen zu können.
    Der Kapitän der TITANIA teilte die Leidenschaft seines Ersten Offiziers für die Schatzjagd und brachte sie in der Kajüte unter, die der König selbst benutzte, wenn er seinem Flaggschiff einen Besuch abstattete. Als Cunningham sie dem Kapitän als Jacob Reckless und Ehefrau vorstellte, erklärte Jacob Fuchs’ Erröten damit, dass sie erst frisch verheiratet seien. Es war eine von vielen Lügen, die er sich in den nächsten Stunden einfallen lassen musste.
    Der Kapitän ließ ein so üppiges Dinner servieren, als hätten sie nicht nur eine Schiffsreise von drei, sondern dreihundert Tagen vor sich. Der Schiffskoch brachte bereits den Nachtisch, als die TITANIA die Anker lichtete, und Jacob fiel es immer schwerer, das Schwanken des Schiffes zu ignorieren, während Cunningham ihn nach Abenteuern fragte, die irgendeine Zeitung ihm angedichtet hatte. Als der Kapitän, der einen ähnlich unsäglichen Schnauzbart wie sein König trug, nach den Schlachtmethoden von Menschenfressern fragte, nutzte Fuchs das blutige Thema als Vorwand, sich zu entschuldigen. Jacob wäre ihr zu gern gefolgt, aber Cunningham ließ ihn einfach nicht gehen, und Jacob beschloss, sich damit zu trösten, dass Fuchs sicher alles über Wachablösungen und die Fluchtwege an Bord in Erfahrung

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