Reckless - Lebendige Schatten
des Goyl. Jacob hatte von den Wölfen dieser Gegend gehört. Angeblich holten sie ihre Opfer sogar aus Betten und Wohnzimmern. Was auch immer – Jacob wusste, dass es schmutzig werden würde. Vielleicht wäre Ertrinken am Ende doch kein so schlechter Tod gewesen.
Inzwischen umkreisten ihn fünf. Er versuchte, eine Hand zu befreien, um an sein Messer zu kommen, aber die Würgebeeren bohrten ihm die Stacheln so unerbittlich ins Fleisch, dass der Schmerz ihm einen unterdrückten Schrei entlockte.
Schrei, Jacob. Warum nicht? Vielleicht hört Fuchs dich. Nein. Wahrscheinlich wartete sie schon in Gargantua. Was würde sie tun, wenn er nicht kam? Ihn suchen, wie der Goyl gesagt hatte, aber sicher nicht ein Leben lang. Die Füchsin würde sehr schnell herausfinden, was aus ihm geworden war. Das war fast ein tröstlicher Gedanke.
Einer der Wölfe zog ihm die Zunge übers Gesicht, als wollte er eine Geschmacksprobe nehmen. Jacob versuchte, wenigstens ein Bein freizubekommen, um nach ihnen treten zu können, aber die Dornen gruben sich nur tiefer in sein Fleisch. Verdammt, Jacob, lass dir etwas einfallen!
Sie blieben stehen.
Der Größte leckte sich das graue Maul.
Das Vorspiel hatte ein Ende.
Jacob warf sich auf die Seite. Er hörte Zähne ins Leere schnappen. Der Nächste verbiss sich in den Ranken, aber lange würde deren Schutz nicht halten. Jacob versuchte, sich verzweifelt an alles zu erinnern, was er über Würgebeeren wusste. Er hatte sie selbst schon benutzt, um Verfolger aufzuhalten, aber nie, um sie zu fangen. Ein Wolf verbiss sich in den Ranken, die sich um seine Rippen schlangen. Ein anderer zerrte an denen, die ihm die Beine fesselten.
Würgebeeren, Jacob! Hast du vergessen, was ihnen am besten schmeckt?
Er warf sich erneut herum, auch wenn es noch so schmerzte, und wälzte sich auf dem Waldboden. Die Wölfe ließen mit wütendem Bellen los, während die Stacheln ihm die Haut aufrissen.
Blut. Nichts schmeckte Würgebeeren besser. Aber natürlich machte es auch die Wölfe wilder. Der Nächste biss so entschlossen zu, dass seine Zähne Fleisch fanden. Jacob schrie auf, als sie sich in seine Seite gruben, aber die Ranken schmeckten sein Blut ebenfalls und begannen, zu wachsen.
Frische Triebe schossen den Wölfen entgegen, verholzend, noch während sie wuchsen. Sie krallten sich ihnen ins Fell und umgaben Jacob mit einem immer dichteren Kokon. Das Atmen fiel ihm schwer, und seine Kleider waren klebrig vom eigenen Blut, aber die Wölfe bekamen ihn nicht mehr zu fassen. Sie jaulten vor Wut und schlugen die Zähne wieder und wieder in das stachlige Dickicht, obwohl die Ranken auch sie immer fester umschlangen. Jacob rang nach Luft. Seine Finger fanden den Griff seines Messers, aber er konnte die Hände einfach nicht genug bewegen, um danach zu greifen.
Der Leitwolf hielt inne. Er keuchte vor Gier nach dem Fleisch, das so köstlich nach Blut und Angstschweiß roch.
Dann biss er in die Ranken, die sich um Jacobs Hals geschlungen hatten. Jacob versuchte verzweifelt, sich umzudrehen, aber das Geflecht, das ihn schützte, hielt ihn auch fest wie Spinnenfäden eine gefangene Fliege. Noch ein Biss, und das Hecheln des Wolfs strich ihm über die ungeschützte Haut. Jacob glaubte, die Zähne schon an der Kehle zu spüren, und dann …
Nichts.
Kein zerspleißender Knorpel. Kein Würgen, erstickt vom eigenen Blut. Stattdessen ein schrilles Winseln. Und die scharfe Stimme eines Mannes.
Jacob sah Stiefel durch die Ranken und die Klinge eines Degens. Ein Wolf fiel mit aufgeschlitzter Kehle, ein zweiter befreite sich von den Ranken und griff an, aber die Klinge tötete ihn schon im Sprung. Die anderen wichen zurück. Schließlich ließ einer ein enttäuschtes Bellen hören, und sie ergriffen die Flucht, den Pelz durchsetzt mit Dornen.
Sein Retter wandte sich um. Er war kaum älter als Jacob. Sein Degen fuhr so mühelos durch die Ranken wie ein Brieföffner durch Papier. Nicht viele Klingen taten sich so leicht mit Würgebeeren. Der Fremde klaubte sich die Dornen von den Handschuhen, während Jacob sich von den zerschnittenen Ranken befreite. Seine Kleider waren so gut wie sein Degen. Sein Jackenkragen war mit dem Pelz eines schwarzen Fuchses besetzt. In Lothringen durfte die nur der Hochadel jagen.
Der Prinz aus dem Märchen. Er sah auch so aus.
Na bestens. Du kannst froh sein, dass er nicht gerade damit beschäftigt war, Schneewittchen zu retten, Jacob . Er war sich zuletzt so lächerlich vorgekommen, als ihn auf
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