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Reckless - Lebendige Schatten

Reckless - Lebendige Schatten

Titel: Reckless - Lebendige Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Funke
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Fingerspitzen.
    »Ich bin es, Hippolyte.«
    Ramee hob den Kopf und legte die handgroße Lupe beiseite, durch die er einen erbsengroßen Diamanten betrachtet hatte, aber das Misstrauen verschwand erst von seinem Gesicht, als Jacob direkt vor ihm stand.
    »Tatsächlich. Jacob«, stellte er fest, während er die fleckige Hand um den Diamanten schloss. Ramee erwartete ständig, bestohlen zu werden. Die Kaiserin war die einzige Person, die er je von diesem Verdacht ausgenommen hatte. »Besteht wieder mal Bedarf an einer Brosche, um irgendeine kaiserliche Zofe zu beeindrucken?«
    »Nein.« Jacob musterte ein Diadem, bei dem ein Gespinst aus Silber sich um Blüten aus Karneol legte. Ramee stellte sich auf die neuen Herren von Vena ein. »Ich nehme an, du bist immer noch verantwortlich für die Instandhaltung der Kaiserlichen Juwelen?«
    Ramee rückte sich die Brille zurecht. »Selbstverständlich. Man mag von den Goyl halten, was man will, aber sie können ohne Zweifel beurteilen, wer etwas von Steinen versteht.«
    Jacob unterdrückte ein Lächeln. Hippolyte war ein eitler alter Mann.
    »Es ist bedauerlich, dass sie kein Gold mögen«, fuhr Ramee fort. »Dadurch muss ich mehr mit Silber arbeiten, aber ihr König hat erst vor Kurzem ein paar sehr geschmackvolle Schmuckstücke bei mir bestellt. Das Armband, das er …«
    »Hippolyte –« Ramee konnte sich stundenlang über die Schleifung eines Steins oder den Wert lupenreinen Elfenglases auslassen, und Jacob war es leid, Zeit zu verlieren, die er nicht hatte. Aber der alte Mann redete weiter, in dem schweren lothringischen Akzent, den er während all der Jahre im Exil nie verloren hatte. Offenbar war er nicht nur halb blind, sondern inzwischen auch ziemlich taub.
    »Hippolyte! Kannst du mir einen Moment zuhören?!«
    Ramee verstummte so abrupt, als hätte er einen seiner Diamanten verschluckt. »Was?«, fuhr er Jacob an. »Ich bin dreimal so alt wie du. Was hast du es so eilig?«
    »Wir wissen alle nicht, wann uns der Tod holt, oder?« Jacob wischte sich eine Spinne vom Ärmel. Ihr Leib war so blau wie die Amethystringe, für die Ramee berühmt war.
    Der Alte schlug nach ihr, als sie ihm zwischen die Finger fiel.
    »Spinnen, Mäuse, Kakerlaken!«, schimpfte er, während er die Spinne vom Tisch wischte. »Die Katzen werden nicht mit ihnen fertig! Ich muss mir wohl doch wieder ein paar von diesen räuberischen Heinzeln anschaffen!«
    Ein anderes Lieblingsthema. Heinzel.
    »Hippolyte! Kannst mir etwas über ein Schmuckstück erzählen? Ich habe es auf einem Porträt im Historischen Museum gesehen. Der Stein ist schwarz, etwas größer als eine Weintraube, in ein Geflecht aus goldenen Ranken gefasst.«
    Ramee starrte ihn entgeistert an. Dann senkte er den Kopf und ordnete mit fahrigen Fingern die Werkzeuge, die vor ihm auf dem Tisch lagen. Als er den Kopf wieder hob, schwammen die Augen hinter den dicken Gläsern in Tränen.
    »Was soll das?«, fuhr er Jacob mit gepresster Stimme an. »Ist das ein grausamer Scherz? Ich habe der Kaiserin damals alles gestanden.«
    Er stand so plötzlich auf, dass er den Diamanten vom Tisch stieß, an dem er gearbeitet hatte. »Hat dich Amalie geschickt? Sicher! Was soll man schon von einer Prinzessin erwarten, die sich von einem Goyl schwängern lässt?!« Er presste sich die Hand auf den Mund, als könnte er die Worte zurücknehmen, und blickte besorgt zum Fenster, aber der einzige Passant, der draußen zu entdecken war, war ein Zwerg, der vor dem gegenüberliegenden Schaufenster stand.
    Wovon redete der Alte? Jacob hob den Diamanten auf und legte ihn zurück auf den Tisch. Er schimmerte wie eine steinerne Träne.
    »Mich hat niemand geschickt«, sagte er. »Ich suche in eigener Sache nach dem Schmuckstück. Ich wollte dich bloß fragen, ob du mir einen Blick darauf verschaffen kannst.«
    Ramee nahm die Brille ab und wischte ungeschickt mit dem Ärmel über die beschlagenen Gläser. »Vergiss es!«, brachte er barsch hervor. »Der Stein ist verloren. Ebenso wie Marie.«
    Jacob nahm ihm die Brille aus der Hand. Er polierte die Gläser und hielt sie dem alten Mann hin. »Marie?«
    Ramees Hände zitterten, als er die Brille entgegennahm. Er wies auf eine Fotografie, die gleich neben der Tür an der Wand hing. Um den Rahmen war ein schwarzes Band geschlungen. Das Foto zeigte ein junges Mädchen, vielleicht achtzehn Jahre alt. Jacob trat auf das Bild zu. Vergangene Wirklichkeit, mit Licht und Säure auf Silber gebannt. Hinter dem Spiegel wurde man

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