Reckless - Lebendige Schatten
hat recht, Goyl!«, raunte er ihm zu, bevor er die Tür hinter ihm zuschlug. »Man sollte euch alle rösten. Das werden gute Zeiten, wenn er erst König wird.«
»Holt die Pferde!«, hörte Nerron Louis mit schwerer Zunge befehlen.
Reckless lag auf einer der Bänke, das Gesicht geschwollen von seinem Zusammenstoß mit der Kutschwand.
»Das war nicht der Plan, oder?«, fragte er.
56
RIESLINGSZORN
D a kamen sie. Fuchs trat von dem Zaun zurück, den die Bauern der Gegend errichtet hatten, damit ihr Vieh sich nicht zwischen den verhexten Ruinen verirrte. Der Wind, der von den toten Straßen herüberwehte, trieb ihr Eis und Hagel ins Gesicht. Unheil. Alles um sie herum schrieb das Wort in die Nacht.
Die Männer, die auf den verlassenen Wachturm zuritten, waren dieselben, die Fuchs hinter dem Stall der Hexe gesehen hatte, doch erst als sie näher kamen, sah sie, dass der Goyl nicht bei ihnen war. Ebenso wenig wie Jacob.
»Ganz ruhig!«, raunte Valiant ihr zu. »Das bedeutet nichts. Gar nichts.«
Aber Fuchs war es, als schmiedete ihr jemand Eisenringe ums Herz.
Er war nicht bei ihnen.
Sie hatten ihn umgebracht.
Nein, Fuchs.
Es waren vier. Allesamt gut bewaffnet. Der Wassermann fehlte ebenfalls, aber die Bluthunde hatten sie dabei, und Fuchs war froh, dass sie kein Fell trug. Einer der Männer war noch sehr jung, ein anderer kaum größer als Valiant. Louis von Lothringen erkannte Fuchs von den Abbildungen, die sie von ihm an der Seite seines Vaters gesehen hatte. Allerdings hatte er darauf wesentlich besser ausgesehen. Fuchs roch Elfenstaub und Krötenlaich, als er ein paar Schritte entfernt von ihr das Pferd zügelte.
»Du bist die Füchsin.«
Es war halb Frage, halb Feststellung. Louis’ Stimme war ebenso unangenehm wie sein Gesicht. »War ein Zwerg die einzige Verstärkung, die du finden konntest?«
Der Mann mit den Hunden gab ein bellendes Lachen von sich.
Valiant schenkte Louis ein nachsichtiges Lächeln. Es war für jeden Zwerg Fluch und Segen zugleich, der Körpergröße wegen unterschätzt zu werden. »Evenaugh Valiant. Mit wem habe ich das Vergnügen?«
Louis schwankte im Sattel, als er die Jacke zurückschob, um den edelsteinbesetzten Knauf seines Säbels zu entblößen.
»Louis Philippe Charles Roland, Kronprinz von Lothringen.«
»Beeindruckend!«, gab Valiant zurück. »Aber wir Zwerge sind Demokraten. Ich hoffe, Ihr nehmt das nicht persönlich. Außerdem«, er blickte suchend an dem Prinzen vorbei, »waren wir eigentlich mit einem Goyl verabredet.«
Die Bluthunde beobachteten Fuchs. Sie ließen sich von der Gestalt weniger leicht täuschen als Menschen.
»Wo ist Jacob?« Sie hatte dem Zwerg versprochen, ihm das Reden zu überlassen, aber sie war es leid, zu warten.
Der Prinz starrte sie mit einer Mischung aus Abscheu und Begierde an, die jeder Gestaltwandlerin vertraut war.
»Wo hast du das Herz?«, fuhr er sie an. »Ich wette, du versteckst es unter den Kleidern wie dein Fell.«
Die Hunde entblößten die Zähne und Louis nickte dem Hundemann zu.
Valiant wandte sich zu dem Wachturm um und stieß einen schrillen Pfiff aus.
Zwei klobige Gestalten lösten sich aus dem Schatten hinter dem Turm. Den Rieslingen klebte der Hagel an den Kleidern und sie starrten alles andere als wohlwollend auf Louis herab. Nirgendwo hatte es mehr Riesen gegeben als in Lothringen und nirgendwo waren sie mit mehr Leidenschaft gejagt worden. Der Krumme besaß eine Sammlung von Riesenköpfen, die immer noch gern bei Staatsfeierlichkeiten gezeigt wurden.
»Ja, ich war gewarnt«, sagte Valiant, während Louis versuchte, sein scheuendes Pferd zu beruhigen. »Ich hatte das zweifelhafte Vergnügen, mit Eurem Vater Geschäfte zu machen. Warum sollte man dem Sohn mehr trauen können?«
Der größere Riesling ließ ein missbilligendes Schnaufen hören und eines der Pferde bäumte sich auf.
Es war der Hundemann, der schoss. Vielleicht hatte er Angst um seine Bluthunde, die den Riesling so wütend anbellten, dass er einen schwerfälligen Schritt auf sie zumachte. Die Kugel traf ihn mitten in die breite Stirn. Sein fallender Körper begrub den Schützen samt der Hunde unter sich.
Der andere Riesling schrie auf vor Wut.
Er riss den Prinzen aus dem Sattel und schüttelte ihn wie eine Lumpenpuppe, während er mit der anderen Faust blind um sich schlug. Er tötete das Kindergesicht mit einem Schlag. Fuchs hörte, wie sein Genick brach. Valiant konnte sich nur durch einen Sprung zur Seite in Sicherheit bringen, und sie
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