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Reckless - Lebendige Schatten

Reckless - Lebendige Schatten

Titel: Reckless - Lebendige Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Funke
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bist du durch das Labyrinth gekommen? Wie hat Chanute die Trollhöhlen überlebt? Hast du je eine der Kerzen gefunden, deren Licht einen Eisenmann ruft?
    In der ersten Nacht antwortete Jacob entweder mit Schweigen oder irgendeiner Lüge. In der zweiten wurde ihm das zu langweilig, also ließ er auf jede Antwort eine Gegenfrage folgen: Wie hast du die Hand gefunden? Wie hast du herausgefunden, wo du mich mit dem Kopf abfangen konntest? Wo gibt es die Echsen, aus deren Haut ihr kugelsichere Westen macht?
    Dieselbe Zunft.
    Natürlich leerte der Bastard ihm die Taschen, und Jacob war zum ersten Mal froh, dass das Goldtuch nicht mehr zuverlässig funktionierte, als der Goyl es zwischen den steinernen Fingern rieb. Nerron. Nur ein Name, wie bei allen Goyl. Dieser bedeutete ›schwarz‹ in ihrer Sprache. Wer hatte ihm den Namen gegeben? Seine Mutter, um das Malachit zu leugnen, das ihm die Haut maserte, oder die Onyx, die ihre Bastarde gewöhnlich ertränkten? Nerron musterte auch Earlkings Karte, aber sie zeigte in seinen Fingern nur einen gedruckten Namen.
    Nerron hielt den Kugelschreiber hoch, den Jacob bei sich trug, weil es sich so viel einfacher damit schrieb als mit Federn oder den altmodischen Füllfederhaltern, die man hinter dem Spiegel benutzte.
    »Was macht man damit?«
    »Wünschtinte.« Jacob schob sich etwas von dem Fleisch in den Mund, das der Goyl ihm mitgebracht hatte. Der Wassermann hatte trotz Louis’ Befehl seine Fesseln gelockert. Der Käfermann schien der Einzige zu sein, der dem Prinzen fraglos ergeben war. Trotzdem war es wohl besser, Louis nicht zu unterschätzen. Er trug dieselbe Verschlagenheit im Gesicht wie sein Vater, auch wenn er sicher nur halb so klug war.
    »Wünschtinte?« Der Bastard schob den Kugelschreiber in die Tasche. »Nie davon gehört.«
    »Alles, was du damit schreibst, geht irgendwann in Erfüllung.« Keine schlechte Lüge. Irgendwo im Osten gab es angeblich eine Gänsefeder, die genau das tat.
    »Irgendwann?«
    Jacob zuckte die Schultern und wischte sich das Fett von den gefesselten Fingern. »Das kommt auf den Wunsch an. Ein, zwei Wochen …«
    Bis dahin würden ihre Wege sich hoffentlich getrennt haben. Sie waren seit vier Tagen unterwegs. Die Hexe müsste mit Donnersmarck fertig sein, falls sie ihn nicht umgebracht oder in ein Insekt verwandelt hatte, aber es hätte seinen sicheren Tod bedeutet, ihn mitzunehmen, ohne dass sie ihren Zauber beendet hatte.
    Sie rasteten fast jede Nacht in einer Höhle. Der Goyl fand sie überall und Jacob war dankbar dafür. Die Nächte wurden immer noch so kalt, dass er selbst unter der Decke fror, die der Bastard ihm gebracht hatte. Sein Arm schmerzte vom Messer der Hexe, und auf der Haut brannten die Schnitte von Troisclerqs Degen, aber den Schlaf raubte ihm nur die Ungewissheit, ob Fuchs in Sicherheit war. Er sah immer wieder ihr erschöpftes Gesicht vor sich. Du verlangst so viel von ihr, Jacob. Zu viel. So oft war Angst sein einziges Geschenk an sie gewesen, gemeinsam durchlebt, gemeinsam besiegt, aber doch nur Angst, nichts weiter. Im Stall der Kinderfresserin war all das vergessen gewesen. Er hatte sie nur noch beschützen wollen. Aber wie schon so oft war am Ende sie es, die ihm helfen musste.
    »Wünschst du dir nicht auch, es wären nur wir zwei?« Der Goyl hatte die Stimme gesenkt, obwohl die anderen drei tief und fest zu schlafen schienen. »Kein Prinz, kein Käfer, kein Wassermann, nicht einmal eine Füchsin, … nur ich und du, gegeneinander.«
    »Der Prinz könnte nützlich sein.«
    »Wofür?«
    »Er ist mit Guismund verwandt. Vielleicht muss einem das Blut des Hexenschlächters in den Adern fließen, damit das Eiserne Tor sich öffnet. Schließlich erwartet das Schloss Guismunds Kinder …«
    »Ja, daran habe ich auch schon gedacht.« Der Bastard blickte zu den Fledermäusen hinauf, die sich unter der Höhlendecke regten. »Aber ich hasse die Vorstellung, dass ich den blaublütigen Hohlkopf bis zum Ende mitschleppen muss. Nein. Es gibt immer einen anderen Weg.«
    Jacob schloss die Augen. Er war es leid, dass das Gesicht des Goyl ihn an die Jadehaut seines Bruders erinnerte. Selbst die Höhle, in der sie waren, glich der Höhle, in der Will und er sich gestritten hatten.
    Der Schmerz regte sich erneut so plötzlich in seiner Brust, dass er kaum den Schrei unterdrücken konnte, der ihm über die Lippen wollte.
    Verdammt.
    Er presste die gefesselten Hände gegen die Brust. Es geht vorbei. Es geht vorbei. Das wievielte Mal

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