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Red Rabbit: Roman

Red Rabbit: Roman

Titel: Red Rabbit: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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greifbar in der Nähe haben wollten, damit sie – die Regierungsmitglieder – die Ausübung von Macht auch genießen konnten. Und das war es doch, worum es allen ging, sei es nun in Moskau, in Berlin oder in Washington, D. C.
    Wenn sie also nicht von Moskau aus operieren konnten, von wo aus dann? Es gab nicht allzu viele Orte, an die Rabbit ohne weiteres reisen konnte. Schon gar nicht in Gegenden westlich des Stacheldrahts, wie man den Eisernen Vorhang immer nannte, der sich 1945 auf Europa herabgesenkt hatte. Und es gab kaum Orte, die für die CIA praktisch waren und an die sich zugleich jemand in seiner Funktion begeben konnte, ohne Aufsehen zu erregen. Die Strände in Sotschi vielleicht. Rein theoretisch hätte die Navy ein U-Boot
dorthin schicken können, um ihn abzuholen, aber man konnte nicht einfach ein U-Boot anfordern. Mit einer solchen Anfrage würde man bei der Navy auf Granit stoßen.
    Damit blieben nur die sozialistischen Bruderstaaten Osteuropas, die als Urlaubsziel etwa ebenso attraktiv waren wie das tiefste Mississippi im Sommer: ein hübsches Fleckchen Erde für den, der auf Baumwollplantagen und glühende Hitze stand, aber ansonsten? Polen kam nicht in Frage. Nach der Verwüstung durch die deutsche Wehrmacht war Warschau zwar wieder aufgebaut worden, aber wegen der angespannten innenpolitischen Situation war Polen im Moment keine gute Wahl, zumal der beste Absprungpunkt, Gdansk, augenblicklich so scharf bewacht wurde wie die russischpolnische Grenze. Es verbesserte die Sache auch nicht gerade, dass die Engländer dort einen neuen russischen T-72-Kampfpanzer abgestaubt hatten. Mary Pat hoffte, dass der gestohlene Panzer für irgendjemanden von Nutzen sein würde, denn irgendein Idiot in London hatte sich damit bei der Presse großgetan, und die hatte es natürlich bereitwilligst gedruckt, worauf Gdansk bis auf weiteres von der Liste der geeigneten Übergangsstellen gestrichen werden konnte. Die DDR vielleicht? Allerdings interessierten sich die meisten Russen einen Dreck für Deutschland, zumal es dort für sie auch wenig zu sehen gab. Die Tschechoslowakei? Prag war angeblich eine wunderschöne Stadt, geprägt von seiner Architektur aus der Zeit der Donaumonarchie und einem blühenden kulturellen Leben. Das dortige Symphonieorchester und die Ballette konnten sich fast mit den russischen messen, und die Kunstmuseen, hieß es, waren vorzüglich. Aber auch die tschechisch-österreichische Grenze wurde streng bewacht.
    Blieb nur noch … Ungarn.
    Ungarn, dachte sie. Auch Budapest war eine alte k. u. k Stadt, einst von der österreichischen Habsburger-Dynastie regiert, 1945 nach langem, erbittertem Widerstand der SS von den Russen erobert, inzwischen wahrscheinlich wieder in dem Glanz aufgebaut, in dem es hundert Jahre zuvor gestrahlt hatte. Wie wenig die Bevölkerung vom Kommunismus begeistert war, hatte sie 1956 augenfällig unter Beweis gestellt und war dann auf Chruschtschows persönliche Anordnung hin brutal in ihre Schranken verwiesen worden. Unter Andropows Ägide als sowjetischer Botschafter
etablierte sich Ungarn schließlich wieder als sozialistischer Bruderstaat, der nicht mehr von ganz so strenger Hand regiert werden musste wie nach dem kurzen und blutigen Aufstand. Die Köpfe der Rebellion waren allesamt gehängt, erschossen oder anderweitig beseitigt worden. Vergebung war noch nie eine marxistisch-leninistische Tugend gewesen.
    Aber in den Zügen nach Budapest saßen eine Menge Russen. Ungarn grenzte an Jugoslawien, das kommunistische San Francisco, ein Land, in das Russen nicht ohne Sondergenehmigung einreisen durften. Aber zwischen Ungarn und Jugoslawien herrschte reger Handelsverkehr, sodass Sowjetbürger dort Videorekorder, Reebok-Joggingschuhe und Fogal-Strumpfhosen kaufen konnten. Die Russen, die dorthin fuhren, taten dies in der Regel mit einem vollen und zwei, drei leeren Koffern – und einem Einkaufszettel für ihren ganzen Freundeskreis.
    Sowjetbürger konnten sich in Ungarn relativ frei bewegen, da dort RGW-Rubel gewechselt wurden, die alle sozialistischen Länder auf Weisung ihres sozialistischen Großen Bruders in Moskau zu akzeptieren hatten. Budapest war gewissermaßen die Boutique des Ostblocks. Man bekam sogar Pornovideos für die Videorekorder, die dort hergestellt wurden – Kopien japanischer Modelle, die in den eigenen sozialistischen Fabriken nachgebaut wurden. Die Videos wurden über Jugoslawien ins Land geschmuggelt und kopiert – alles von Meine Lieder,

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