Red Rabbit: Roman
zurückgekehrt, ging Foley in Mike Barnes’ Büro. Barnes war der Kulturattaché, der offizielle Experte für den gesamten Kunst- und Kulturkram. Das war in Moskau ein bedeutender Posten, denn die Sowjetunion hatte ein relativ reiches Kulturleben. Die Tatsache, dass sie das meiste davon noch der Zarenzeit verdankte, schien das jetzige Regime nicht zu kümmern. Vielleicht, dachte Foley, weil alle »großen« Russen als kulturniy gelten wollten und sich den westlichen Staaten, vor allem den Amerikanern, überlegen fühlten, deren »Kultur« in ihren Augen viel neuer und stilloser war als die ihres Landes, das schließlich Borodin und Rimski-Korsakow hervorgebracht hatte. Barnes hatte an der Juillard School für Theater, Musik und Tanz sowie an der Cornell University studiert und schätzte besonders russische Musik.
»Tag, Mike«, grüßte Foley.
»Na, macht’s Spaß, die Presse mit Informationen zu füttern?«, fragte Barnes.
»Mal so, mal so. Hören Sie, ich habe eine Frage an Sie.«
»Schießen Sie los.«
»Mary Pat und ich, wir wollen ein bisschen herumreisen, vielleicht durch Osteuropa, nach Prag und so. Wir lieben klassische Musik, und ich wollte Sie fragen, ob Sie uns dort vielleicht etwas empfehlen können?«
»Die Spielzeit der Prager Symphoniker hat noch nicht begonnen.
Aber Jozsef Rozsa ist gerade in Berlin, und als Nächstes macht er Station in Budapest.«
»Wer ist das? Den Namen habe ich noch nie gehört«, sagte Foley mit ausdruckslosem Gesicht, während sein Herz einen Satz machte.
»Ein gebürtiger Ungar, Cousin von Miklos Rozsa, dem Komponisten in Hollywood – hat Ben Hur und solche Sachen gemacht. Musik liegt der Familie wohl im Blut. Er soll sehr gut sein. Die staatliche ungarische Eisenbahn hat nicht weniger als vier Orchester, ob Sie’s glauben oder nicht, und Jozsef wird das erste Orchester dirigieren. Sie können mit dem Zug dorthin fahren oder fliegen, je nachdem, wie viel Zeit Sie haben.«
»Klingt interessant«, sagte Foley laut. Faszinierend, dachte er bei sich.
»Sie wissen, dass die Saison für das Moskauer Staatsorchester im nächsten Monat beginnt? Es gibt dort einen neuen Dirigenten, einen gewissen Anatoli Scheimow. Ich habe ihn noch nicht gehört, aber er soll ziemlich gut sein. Ich könnte Ihnen Karten besorgen. Der Iwan gibt vor uns Ausländern gern an, und Scheimow ist wirklich Weltklasse.«
»Danke, Mike, ich denke darüber nach. Bis später,« sagte Foley und ging.
Während des ganzen Weges zurück in sein Büro grinste er vor sich hin.
»Was zur Hölle …«, zischte Sir Basil, als er das neueste Fax aus Moskau las. »Wer hat sich denn das ausgedacht?«, fragte er in das leere Zimmer hinein. Oh, jetzt sah er es. Der amerikanische Agent, Edward Foley. Wie zum Teufel will er denn das schaffen? rätselte der Chef des SIS.
Er wollte gerade zum Lunch in den Westminster-Palast auf der anderen Flussseite aufbrechen, und das ließ sich nicht aufschieben. Nun denn, so hatte er wenigstens etwas, worüber er bei Roastbeef und Yorkshire Pudding nachgrübeln konnte.
»Ich soll mich wohl auch noch glücklich schätzen, was?«, sagte Ryan gerade in seinem Büro.
»Jack, es ist weniger gefährlich, als die Straße zu überqueren.«
Was in London durchaus ein lebensgefährliches Unterfangen sein konnte.
»Ich kann sehr gut auf mich aufpassen, Simon«, sagte Ryan zu seinem Arbeitskollegen. »Aber wenn ich’s vermassle, werden andere darunter zu leiden haben.«
»Sie werden keinerlei Verantwortung tragen. Sie sind lediglich als Beobachter dabei. Ich kenne Andy Hudson nicht persönlich, aber er hat bei uns einen ausgezeichneten Ruf.«
»Na großartig«, sagte Ryan. »Mittagspause, Simon. Ich brauche jetzt ein Bier.«
»Wie wär’s mit dem Duke of Clarence ?«
»War das nicht der Typ, der in einem Fass Malvasier ertrunken ist?«
»Ich kann mir schlimmere Abgänge vorstellen, Sir John«, bemerkte Harding.
»Was ist Malvasier eigentlich?«
»Ein starker, süßer Wein, ähnlich dem Madeira. Tatsächlich stammt er auch von dieser Insel.«
Wieder mein Allgemeinwissen ein bisschen aufpoliert, dachte Ryan und holte seinen Mantel.
In Moskau blätterte Zaitzew in seiner Personalakte. Wie er sah, hatte er Anspruch auf zwölf Tage Urlaub. Im letzten Sommer hatten es für ihn und seine Familie keine Reservierungsmöglichkeit im Kurort Sotschi gegeben – die KGB-Quote war im Juli und August bereits erfüllt gewesen –, und so hatten sie überhaupt keinen Urlaub
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