Red Rabbit: Roman
gewesen bei den Marines: Man hatte niemanden dazu gezwungen, aus einem Flugzeug zu springen. Verdammt, dachte Jack plötzlich. Womöglich hatte er genau davor Angst – und gar nicht so sehr vor der Reise in einem Linienflugzeug. Er schaute zu Boden und kicherte unbehaglich. »Tragen Ihre Einsatzagenten eigentlich Waffen?«
Die Frage wurde mit einem Lachen quittiert. »Nur im Kino, Jack. Die Dinger sind einfach zu schwer, um sie immer mit sich herumzuschleppen, und es ist zudem nicht einfach zu erklären, warum man sie trägt, wenn man damit erwischt wird. Beim SIS gibt es keine Doppel-Null-Agenten – jedenfalls nicht, soweit ich weiß. Die Franzosen bringen gelegentlich Leute um, und sie sind ziemlich gut darin. Ebenso die Israelis. Aber jeder macht Fehler, selbst die ausgebildeten Profis, und solche Sachen sind der Presse meist schwer zu erklären.«
»Ließe sich dafür nicht auch eine Geheimhaltungspflicht einführen?«
»Theoretisch schon, aber es würde schwer sein, so etwas durchzusetzen. Die Fleet Street hat ihre eigenen Gesetze, wissen Sie.«
»Die Washington Post auch, wie Nixon zu seinem Leidwesen erfuhr. Also muss ich wohl niemanden umbringen.«
»Es wäre gut, Sie könnten darauf verzichten«, riet ihm Simon und biss in sein Truthahn-Sandwich.
Der Hauptbahnhof von Belgrad war ebenfalls sehr schön. Im vorigen Jahrhundert hatten sich die Architekten offenbar alle Mühe gegeben, sich gegenseitig auszustechen, genau wie jene gottesfürchtigen Dombaumeister, die im Mittelalter die Kathedralen gebaut hatten. Der Zug hatte mehrere Stunden Verspätung, wie Zaitzew erstaunt feststellte. Warum? Sie hatten unterwegs nirgendwo länger angehalten. Nun, vielleicht fuhr er einfach nicht so schnell, wie er sollte. Belgrad hinter sich zurücklassend, wand sich der Zug langsam die sanften Hügel hinauf. Im Winter waren diese Hügel bestimmt ein hübscher Anblick. Sollte hier nicht bald eine Olympiade stattfinden? Dieses Jahr war der Winter etwas spät
dran, aber das hieß meist, dass er auch ungewöhnlich hart werden würde. Zaitzew fragte sich, wie der Winter wohl in Amerika war …
»Fertig, Jack?«, fragte Charleston in seinem Büro.
»Ich denke schon.« Jack begutachtete seinen neuen Pass. Da es sich um einen Diplomatenpass handelte, sah er etwas edler aus als der gewöhnliche. Auf dem roten Ledereinband prangte das königliche Wappenschild. Er blätterte ihn durch, um sich die Einreisestempel von Ländern anzusehen, die er nie bereist hatte. Thailand, die Volksrepublik China. Oha, dachte Jack, ich komme ja wirklich rum. »Wofür brauche ich das Visum?«, fragte er. Für die Einreise ins Vereinigte Königreich war kein Visum erforderlich.
»Ungarn kontrolliert die Ein- und Ausreisenden relativ streng. Sie verlangen ein Einreise- und ein Ausreisevisum. Letzteres werden Sie nicht benötigen, hoffe ich«, sagte Charleston. »Hudson wird Sie vermutlich über eine der Grenzen im Süden rausbringen. Er hat gute Verbindungen zu den dortigen Schmugglern.«
»Heißt das, wir müssen über die Berge marschieren?«, fragte Ryan.
Basil schüttelte den Kopf. »Nein, solche Aktionen machen wir nicht sehr oft. Ich denke, man wird Sie mit einem Auto oder einem Lastwagen dorthin fahren. Das dürfte kein Problem sein, mein Junge.« Er sah auf. »Es ist wirklich nur eine Routinesache, Jack.«
»Wenn Sie meinen, Sir.« Für mich bestimmt nicht.
Charleston stand auf. »Viel Glück, Jack! Ich sehe Sie dann in ein paar Tagen.«
Ryan schüttelte die ihm dargebotene Hand. »Alles klar, Sir Basil.« Semper fidelis , Kumpel.
Draußen auf der Straße wartete ein Wagen auf ihn. Jack setzte sich auf den linken Vordersitz, und der Fahrer gab Gas. Die Fahrt Richtung Osten dauerte nur fünfzig Minuten, da der Feierabendverkehr noch nicht eingesetzt hatte, und so war er fast so schnell zu Hause wie mit dem Zug.
In Chatham traf Ryan seine Tochter bei einem Erholungsschläfchen an, Klein Jack spielte mit seinen Füßen – faszinierend winzige Füßchen –, und Miss Margaret saß mit einer Illustrierten im Wohnzimmer.
»Dr. Ryan, ich hatte Sie nicht erwartet …«
»Ist schon in Ordnung. Ich bin gleich wieder weg. Ich muss auf eine Geschäftsreise.« Er ging zu dem Wandtelefon in der Küche und versuchte Cathy zu erreichen, erfuhr jedoch, dass sie gerade den Vortrag über ihr Laserspielzeug hielt. Mit dem sie wohl Blutgefäße zuschweißte, dachte er, oder irgendwas in dieser Richtung. Mit gerunzelter Stirn lief er
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