Reden ist Silber, Kuessen ist Gold
an den richtigen Stellen, aber sie konnte nicht aufhören, an das Gespräch mit Lexi und Dana und deren Annahme, sie wäre immer noch in Mitch verliebt, zu denken.
Das stimmt nicht . Sie konnte zwar nicht genau sagen, was sie für Mitch empfand, aber es war definitiv keine Liebe. Die Gefühle für ihn waren kompliziert und eng mit der Vergangenheit verknüpft. Irgendwann würde sie es schon noch herausfinden - auch wenn es keine wirkliche Rolle spielte.
Aber als sie ihrer Tochter so zuhörte, kam sie nicht umhin zu überlegen, was passiert wäre, wenn sie sich gegen Jed durchgesetzt und geweigert hätte, Ray zu heiraten. Wenn sie nicht mit ihm geschlafen und schwanger geworden wäre. Wo würden sie und Mitch dann heute stehen?
Mitch stand vor der verschlossenen Tür. Er wollte nicht hier sein, nicht mit einer Gruppe von Fremden reden, über die er nichts wusste. Joss wartete geduldig neben ihm.
»Lassen Sie mich die Frage beantworten«, sagte er. »Ja, Sie müssen.«
»Technisch gesehen nicht«, murmelte Mitch.
Joss schüttelte den Kopf. »Sie sind konsequent, das muss man Ihnen lassen. Erzählen Sie mir von den Energieübungen, die ich Ihnen gegeben habe.«
Noch etwas, das Mitch nicht tun wollte. Er hatte darüber Witze gemacht und sich geweigert, aber schlussendlich hatte er nachgegeben und sie gemacht. Jeden Morgen rieb er die Hände aneinander wie ein Gauner in einem schlechten Comic, um den Energiefluss anzuregen. Mit den Händen fuhr er dann im Rhythmus seiner Atmung über seinen Körper, auch über die Stelle, wo einst sein Bein gewesen war. Er drückte auf die Akupressurpunkte und klärte seinen Geist, und, verdammt noch mal, es hatte geholfen. Die Phantomschmerzen waren nahezu verschwunden. Aber wenn er die Übungen ein paar Tage nicht machte, kamen sie sofort wieder.
»Weil organisches Rindfleisch und frei laufende Hühner ja noch nicht genug sind«, grummelte er. »Jetzt soll ich also auch noch Mantras summen und Bäume umarmen.«
»Niemand verlangt von Ihnen, zu summen. Also gehen wir nun rein, oder wollen Sie fortfahren, meine Zeit zu verschwenden?«
Er hätte zu gerne Joss‘ Zeit verschwendet, aber er wusste, dass das nicht richtig gewesen wäre. Also richtete er sich auf, hob das Kinn und öffnete die Tür.
Drinnen saßen mehrere Leute in einem Stuhlkreis. Die Männer waren zwischen achtzehn und irgendwas um die sechzig. Auf den ersten Blick schienen sie nichts gemeinsam zu haben. Doch dann bemerkte Mitch eine Handprothese hier und einen Rollstuhl da. Eindeutig eine Selbsthilfegruppe für Amputierte.
Joss hatte ihm die Gruppe nun schon seit längerer Zeit aufgedrängt. Mitch hatte die Wahl von Ort und Zeit, aber nicht die, nicht hinzugehen. Also hatte Mitch sich für die ausschließlich von männlichen Veteranen besuchte Gruppe entschieden. Zumindest hätte er mit denen etwas zu reden.
»Das ist Mitch«, sagte Joss und trat in den Kreis, um einige der Anwesenden zu begrüßen. »Er ist neu.«
Ein alter Mann in einem Rollstuhl lachte. »Lass mich raten. Er will nicht hier sein.« Der Mann klopfte sich auf seine beiden Stümpfe. »Ich auch nicht. Aber trotzdem komme ich jede Woche wieder.«
»Burt ist der Sprecher der Gruppe«, erklärte Joss Mitch. »Er wird sich um Sie kümmern.«
Mitch wollte am liebsten fliehen. Stattdessen nahm er jedoch auf einem der Stühle Platz. Er wusste, dass es gut für ihn wäre, hier zu sein. Joss schlüpfte leise aus dem Raum.
»Ich fange an«, sagte Burt, als die Tür ins Schloss gefallen war. »Ich bin Burt. Mit zwanzig war ich etwas sehr leichtsinnig und habe meine beiden Beine verloren, als ich mit einem Zug ,Wer hat Angst vorm schwarzen Mann‘ gespielt und verloren habe. Ich träume immer noch, dass ich laufen kann. Gerade erst vor ein paar Tagen ging ich mit Raquel Welch am Strand entlang. Die meisten von euch Jungspunden kennen sie gar nicht mehr, aber glaubt mir, das war eine Frau ... Eine Lady, für die es sich lohnt, zu laufen.«
Burt grinste. »Im Moment geht es mir gut. Es würde mir allerdings noch besser gehen, wenn ich euch Krüppel dazu kriegen könnte, eure Wut loszulassen. Aber dafür sind wir ja hier. Ich werde euch wieder in die Welt zurückziehen, egal, wie sehr ihr auch strampelt und schreit.« Sein Lächeln wurde breiter. »Einige von euch muss ich ziehen, weil ihr nicht laufen könnt, aber das ist eine andere Geschichte. So, wer will weitermachen?«
Ein ungefähr dreißigjähriger Mann hob den Arm. Die metallenen Finger seiner
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