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Reden macht Leute

Reden macht Leute

Titel: Reden macht Leute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gudrun Fey
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sich dabei vermutlich um überwiegend englische oder lateinische Fachausdrücke handelt, sind Sie so schlau wie vorher. Jetzt wird die Theorie dargestellt. Da Ihnen der Sachverhalt, auf den sich die Theorie bezieht, glücklicherweise halbwegs klar ist – es geht um das Überzeugen –, verstehen Sie zwar etwas mehr als „Bahnhof“. Doch langweilt es Sie, weil sich die Theorie in der Erläuterung von Diagrammen und Zahlen erschöpft. Da am Ende zum Glück noch etwas Zeit ist, bringt der/die RednerIn noch ein paar Beispiele, auf die sich seine/ihre Theorie anwenden lässt. Das versöhnt Sie wieder ein wenig, weil jetzt endlich die praktische Nutzanwendung erkennbar wird.
    Doch irgendetwas stimmte bei der Gliederung von Anfang an nicht. Ich schlage Ihnen deshalb eine andere, eine organische Gliederung vor, die den Weg des Denkens nachahmt. Eine solche Gliederung ermöglicht es Ihnen und Ihren Hörern, Probleme so zu lösen oder Theorien so zu entwickeln, wie das Menschen gemeinhin machen. Wie funktioniert das?
    Kein Mensch fängt an zu denken, bevor er nicht ein Problem hat. Angenommen, Sie leben allein, wollen abends die Wohnungstür aufschließen. Nach einer kurzen Analyse kommen Sie zu dem Ergebnis: Der Schlüssel ist im Büro und Sie haben keine Möglichkeit, ihn zu holen. Folglich lösen Sie das Problem auf die Schnelle und ordern einen Schlüsseldienst. Eine dauerhafte Lösung dieses Problems könnte sein: Sie verstecken den Zweitschlüssel irgendwo, wo Sie ihn jederzeit holen können.
    Dieses Vorgehen zur Lösung von Problemen ist typisch. Wenn Sie das auf Fachvorträge oder Präsentationen übertragen, werden diese immer interessant und verständlich sein.
    Mustergliederung für Fachvorträge oder Präsentationen
Thema:
    „Mein Thema lautet …“
Exordium (= Einleitung):
    Kurze Inhaltsangabe und/oder Zielangabe des Vortrags. Ziel des Exordiums: Neugier wecken.
Problemdarstellung: „Worum geht’s?“
    Ziel: Darstellung soll möglichst konkret und anschaulich sein, damit auch der Laie versteht, worum es geht.
Analyse des Problems: „Was ist hier los?“
    Ziel: Herausarbeiten des im Sachverhalt liegenden Problems, der damit verbundenen Fragestellungen, der Schwierigkeiten.
Lösungsidee und Überprüfung:
    Idee anhand der dazugehörigen Theorie/Regel oder Aufstellen einer neuen Theorie/Regel.
    Ziel: Eine allgemeine Lösung für das eingangs geschilderte Problem und für vergleichbare Probleme finden.
Folgerungen für die Praxis:
    Möglichst Folgerungen ziehen, die die Praxis des Publikums betreffen: „Immer wenn, dann …“
Zusammenfassung
Allgemeiner Schlusssatz: Meinung, Hoffnung, Wunsch, Appell …
    Diese Mustergliederung lässt sich bis auf Aristoteles („Nikomachische Ethik“) zurückführen und bildlich darstellen. Es handelt sich um ein Schema, das salopp gesprochen „Platons Rennbahn“ genannt wird:
    „Wir müssen hierbei vor Augen halten, dass ein großer Unterschied ist zwischen den Erörterungen, die von den Prinzipien ausgehen und denen, die zu ihnen aufsteigen. Das war ja die Frage, welche auch Platon mit Recht aufwarf und untersuchte, ob der Weg von den Prinzipien aus oder zu ihnen hingehe, ähnlich wie man in der Rennbahn von den Preisrichtern nach dem Ziel läuft oder umgekehrt.
    Man muss also ohne Zweifel mit dem Bekannten anfangen; dieses ist aber zweifach: es gibt ein Bekanntes für uns und ein Bekanntes schlechthin: Wir nun werden wohl mit dem für uns Bekannten anfangen müssen.“

    Heinrich Fey führt dazu aus:
    Dieses Vorgehen verbildlicht die antike Rennbahn, die in der Regel Hufeisenform hatte: Die Läufer waren in Ablaufposition an einer Mauer oder einer Ablauflinie wie die heutigen Läufer in ihren Startlöchern. Senkrecht zur Ablauflinie war die Bank mit den Schiedsrichtern. Weit vor der Ablauflinie, in entsprechender Entfernung, stand eine Säule oder ein Götterbild, um das herum die Läufer wendeten, um dann zur Mauer zurückzulaufen. Wer zuerst wieder die Ablauflinie berührte, war Sieger.
    Im Rennbahngleichnis steht die Mauer oder Ablauflinie für die Praxis, für das Konkrete, und das Götterbild für die Idee, für die Prinzipien, die Regel, das Allgemeine. Wie die Läufer streben auch wir aus dem Konkreten hin zum Reich der Idee, hin zur Regel, zu den Gesetzen, zum Allgemeinen. Während wir unterwegs sind zwischen Mauer und Götterbild, schauen wir zurück zur Praxis, vorwärts zu den Ideen und auch zur Seite zu unseren Mitläufern, wie weit sie schon gekommen sind

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