Redwall 01 - Der Sturm auf die Abtei
der andere wurde gefällt, bevor der Baum seiner Jugend auch nur blühen konnte!«
Da ergriff Kornblume das Wort. Sie weinte nicht, aber sie war blass und hatte die Pfoten fest geballt. »Ehrwürdiger Vater, wir haben Matthias zwar verloren, aber sein Leben wurde nicht verschwendet; es wurde mit ungeheurem Mut und großer Selbstaufopferung eingesetzt, um Redwall zu helfen. Matthias wollte uns in unserem Kampf gegen die Mächte des Bösen beistehen, genau wie sein Freund Methusalem. Ich bin mir ganz sicher, dass es in ihrem Sinne ist, wenn wir sie als Krieger und Helden in unseren Herzen bewahren.«
Das zustimmende Gemurmel aller Anwesenden gab ihr Recht. Gramgebeugt von den traurigen Ereignissen, verließen die Verteidiger den Saal, einige zur Wache, andere ins Bett.
Konstanze blieb mit versteinerter Miene auf dem Boden sitzen und ballte immer wieder ihre mächtigen Pfoten. Bruder Alf stand auf und reckte sich.
»Du könntest auch etwas Schlaf gebrauchen, Konstanze.«
Die Dächsin stand müde auf und rieb sich die Augen.
»Nein, danke, Bruder. Ich könnte jetzt sowieso kein Auge zutun. Das wirst du sicher verstehen.«
Bruder Alf seufzte schwer. Ja, er verstand es; er hatte Matthias’ Werdegang schon vom ersten Tage an aufmerksam verfolgt. Damals kam er als Waisenkind aus dem Wald zum Tor der Abtei, immer höflich, bemüht und fröhlich. Und nun …
»Na, dann komm mal mit«, sagte Alf. »Ich muss wieder an die Arbeit. Die Fischnetze müssen zur Nacht ausgeworfen werden. Vielleicht hättest du ja Lust, mir zu helfen?«
Die Dächsin war froh, eine Aufgabe zu haben, und so willigte sie ein. Während sie und Alf zum Teich gingen, sprachen sie von alten Zeiten.
»Erinnerst du dich noch an die große Äsche, die ihr einmal gefangen habt, du und Matthias?«, fragte Konstanze.
Bruder Alf kicherte. »Und ob! Matthias hat nicht lockergelassen, bis wir den Fisch ans Ufer gezogen hatten. Ich hätte ja schon längst aufgegeben, aber er nicht.«
Konstanze nickte bewundernd. »Oh ja, der Fisch hat für die ganze Abtei gereicht! Ich weiß es noch genau, denn ich habe mir noch zweimal Nachschlag geholt und das war immer noch weniger, als dieser stachelige Vielfraß Ambrosius gefuttert hat.«
Die beiden Gefährten spazierten gemächlich am Ufer des Abteiteiches entlang und legten sich die Netze zum Auswerfen bereit. Bruder Alf ging noch ein wenig weiter um den Teich herum und hielt nach seinen Korkenschwimmern Ausschau. Konstanze wollte sich gerade am Wasserrand hinsetzen, als sie Alf rufen hörte: »Konstanze, schau doch nur! Da unten! Da liegt ein Spatz!«
Die Dächsin lief zum Mäuserich hinüber und schaute in die Richtung, in die er zeigte. Und richtig, da war der Körper von König Bullenspatz halb im Wasser und halb an Land. Mit lautem Platschen watete Konstanze ins seichte Wasser und zog den Leichnam das moosbedeckte Ufer hinauf.
»Sieht aus, als ob er ertrunken ist, Bruder. Schnell, hol Hilfe und bring Laternen mit. Beeil dich!«
Die Dächsin durchpflügte das Wasser. Warum nur, warum hatte der Suchtrupp nicht im Teich der Abtei nachgesehen?
Schnell eilte Hilfe herbei.
»Aus dem Weg, Konstanze! Ihr Übrigen haltet die Laternen hoch.« Mit einer kaum merklichen Wellenbewegung glitten Winifred und drei ihrer Otter ins Wasser. Schwimmend erteilte Winifred ihre Befehle: »Verteilt euch und taucht tief. Jeder von uns sucht ein Viertel des Teiches ab. Ich übernehme das Südende.«
Die Anspannung der Menge, die sich am Ufer drängte, war spürbar. Man konnte nichts weiter sehen als die ruhige, dunkle Wasseroberfläche, hin und wieder durchbrochen von der schlanken Gestalt eines Otters, der auf- und abtauchte.
Es gab einen Aufschrei, als Winifred mit einer leblosen Gestalt im Schlepptau gesichtet wurde. Hilfsbereite Pfoten zogen die Last der Otterdame die Uferböschung hinauf.
Winifred schüttelte sich wie ein Hund und keuchte: »Schaut mal, was ich da drüben halb eingetaucht im Wasser gefunden habe. Ein Glück, dass die Binsen ihn hochgehalten haben.«
Alle drängten sich um den Fund und stellten sich dieselben bangen Fragen.
»Ist es wirklich Matthias?«
»Lebt er noch oder ist er schon tot?«
Konstanze bahnte sich ihren Weg zu der leblosen, durchnässten Gestalt. Der Abt und Kornblume folgten dicht hinter ihr.
Abt Mortimer bat die Schaulustigen: »Macht doch bitte etwas Platz! Wenn ihr wirklich helfen wollt, dann tretet bitte ein paar Schritte zurück. Gebt Kornblume eine Laterne. So ist es gut,
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